Lambsdorff: Ostermarsch-Organisatoren sind keine Pazifisten

Stand: 16.04.2022, 10:05 Uhr

Alexander Graf Lambsdorff hat die Teilnehmer der Ostermärsche als "fünfte Kolonne Wladimir Putins" bezeichnet. Im WDR-Interview legte der FDP-Politiker heute nach.

"Wenn Ostermarschierer jetzt Abrüstung fordern und in Interviews vorschlagen, die Ukraine gewaltfrei zu unterstützen, spucken sie den Verteidigern Kiews und Charkiws ins Gesicht." In einem Gastbeitrag für "Die Zeit" hat der stellvertretende Chef der FDP-Bundestagsfraktion, Alexander Graf Lambsdorff, die Friedensbewegung scharf angegriffen. Seine Gründe erläuterte Lambsdorff am Samstag im Interview mit dem WDR.

WDR: Warum macht es Sie offenbar leicht aggressiv, wenn Menschen unter dem Motto "Frieden schaffen ohne Waffen" demonstrieren?

Alexander Graf Lambsdorff: Wer auf eine Demonstration geht, nimmt ein Recht wahr, das im Grundgesetz festgelegt ist. Das macht mich überhaupt nicht aggressiv. Ich nehme mir die Freiheit, die Inhalte der Demonstration zu bewerten: Wer die Ukraine jetzt auffordert, die Waffen niederzulegen, der sieht eines offenbar nicht. Wenn die Ukraine jetzt aufhört zu kämpfen, ist die Ukraine ausgelöscht. Wenn Russland aufhört zu kämpfen, dann ist der Krieg vorbei. Es ist also eine völlig andere Ausgangssituation, je nachdem, wie man auf die Situation schaut.

WDR: Ja, aber Sie haben die Friedensbewegung als "fünfte Kolonne" Moskaus bezeichnet. Ist das nicht unfair?

Lambsdorff: Wenn sie sich die Statements von Organisatoren anhören, stellen sie fest, dass es teilweise dieselben Leute sind, die in den 1980er-Jahren hinter den Friedensdemonstrationen standen: finanziert aus der Sowjetunion und aus der DDR, um eine Unterstützung der Verteidigungsfähigkeit der Demokratie zu untergraben.

WDR: Sie versuchen, die Friedensbewegung zu diskreditieren. Ist die Sorge, dass der Krieg durch Waffenlieferungen weiter eskalieren könnte, denn völlig unbegründet?

Lambsdorff: Ich kann die Sorge verstehen und ich kann jeden Einzelnen verstehen, der an solchen Demonstrationen teilnimmt. Aber zum Vergleich: Wer ehrliche Sorgen wegen Impfnebenwirkungen hat und auf eine Demonstration geht, sollte schauen, wer mitmarschiert. Ich finde, das muss man auch von denjenigen verlangen, die auf diese Ostermärsche gehen. Wer organisiert diese Märsche eigentlich? Das sind Leute, die eindeutig Interessenvertreter der russischen Position sind. Sie machen rhetorisch und politisch die Arbeit eines Wladimir Putin und des russischen Geheimdienstes - durch Desinformation, durch Verzerrung von Fakten. Das ist die Realität dieser Friedensbewegung, keine Diskreditierung.

WDR: Sie vergleichen Ostermärsche mit "Querdenker"-Demos. Ist das nicht überzogen?

Lambsdorff: Nein, weil die Rechtsextremen, die bei "Querdenker"-Demos mitlaufen, die ehrliche Sorge von Mitmenschen missbrauchen. Genau so sind es hier die Linksextremen. Willi van Ooyen, langjähriger Organisator der Ostermarsch-Bewegung, war lange in der Linkspartei, vorher Chef einer kommunistischen Splitterpartei. Pazifismus als philosophisches Konzept, darüber kann man philosophisch streiten. Aber die Leute, die solche Märsche organisieren, sind eigentlich keine Pazifisten, sondern die fünfte Kolonne Putins. Sie versuchen, den Westen zu schwächen und die Ukraine zu diskreditieren.

WDR: Da gibt es auch Gegenargumente. Wir haben mit einem Vertreter der Friedeninitiativen gesprochen, der sich gegen solche Polemiken verwahrt hat. Birgt Aufrüstung denn wirklich keine Gefahren?

Lambsdorff: Die Ukraine hat es doch mit Abrüstung versucht. Im Jahr 1994 hat das Land seine Atomraketen an Russland übergeben - eine einseitige Abrüstung, wie es die Ostermarschierer nun vorschlagen.

WDR: Aber es ist etwas anderes, wenn Europa nun Milliarden in neue Aufrüstung steckt.

Lambsdorff: Russland plant ganz offen eine hochaggressive, mit militärischen Mitteln ausgetragene Politik. Wenn wir den Frieden schützen wollen, müssen wir bereit sein, uns gegen eine solche Aggression zu wehren - auch mit militärischer Gewalt. Ich halte die jetzt beschlossene zusätzliche Militärhilfe für die Ukraine für richtig.

Das Interview führte Andrea Oster.

Das Gespräch wurde für die Onlineversion gekürzt und sprachlich bearbeitet.

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