ADAC Staubilanz 2023: Deutschland-Ticket reduziert Staus nicht

Rund 500.000 Mal gab es auf deutschen Autobahnen 2023 Stau oder stockenden Verkehr
Rund 500.000 Mal gab es auf deutschen Autobahnen 2023 Stau oder stockenden Verkehr© Shutterstock/PRILL

Die ADAC Staubilanz zeigt: 2023 gab es auf Deutschlands Autobahnen deutlich mehr Stau als im Vorjahr. Und: Das Deutschland-Ticket hat bislang zu keiner spürbaren Entlastung geführt.

  • Staugeschehen noch unter dem Vor-Corona-Niveau von 2019

  • Trotz D-Ticket fahren nicht weniger Menschen Auto

  • Weniger Homeoffice: Stärkere Rückkehr zum Arbeitsplatz

Insgesamt zählte der ADAC im vergangenen Jahr 504.000 Staus und stockenden Verkehr, die gemeldeten Verkehrsstörungen ergaben eine Gesamtlänge von 877.000 Kilometern. Die Dauer der Verkehrsstörungen summierte sich auf insgesamt 427.000 Stunden.

Staubilanz 2023: Deutlich mehr als 2022

Aufgrund einer neuen Methodik der ADAC Datenanalyse ist ein direkter Vergleich der aktuellen Stauzahlen mit den Vorjahreszahlen nur eingeschränkt möglich. Die neue Methodik führt zu einem Rückgang der Stauanzahl und Staulängen. Lediglich die Staudauer ist mit der des Vorjahres vergleichbar. Im Vorjahr registrierte der ADAC rund 333.000 Stau-Stunden auf deutschen Autobahnen. Insgesamt bleibt das Staugeschehen noch unter dem Vor-Corona-Niveau von 2019 (521.000 Staustunden).

2023: Mehr Verkehr und Baustellen

Die Kfz-Fahrleistung auf den Autobahnen lag laut Bundesamt für Straßenwesen im Jahr 2023 durchschnittlich etwa 4 Prozent über dem Vorjahreswert. Der Lkw-Verkehr war allerdings im Durchschnitt um rund 3 Prozent niedriger als 2022. Auch deutlich mehr Baustellen auf Autobahnen gab es 2023.

Kein positiver Effekt durch D-Ticket

"Dass das Deutschland-Ticket – wie von vielen erhofft – möglichst viele Pendler und Pendlerinnen zum Umstieg auf den ÖPNV bewegt und Staus reduziert, findet sich in der Staubilanz nicht wieder", so ADAC Verkehrsexperte Jürgen Berlitz. "Ein positiver Effekt auf das Verkehrsaufkommen und die Stauentwicklung ist leider nicht erkennbar."

Das D-Ticket (49-Euro-Ticket) wurde am 1. Mai 2023 als Nachfolger des 9-Euro-Tickets eingeführt, das in den Monaten Juni, Juli und August 2022 angeboten worden war. Bis zu elf Millionen Menschen haben es 2023 für den öffentlichen Nahverkehr abonniert, wie eine Untersuchung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ergeben hat. Allerdings waren davon 45 Prozent bereits ÖPNV-Nutzer, die aus bestehenden Abonnements umgestiegen sind. Nur rund vier Prozent der Käuferinnen und Käufer haben den ÖPNV bislang nicht genutzt.

Nicht für alle ist das Deutschland-Ticket attraktiv. Dies trifft vor allem für diejenigen zu, die in ländlichen, strukturschwachen Regionen wohnen und arbeiten. Die Bahn ist für so manchen Autofahrenden keine Alternative. Chronische Verspätungen und Ausfälle, bedingt unter anderem durch die vielen Bahnbaustellen, schrecken ab. Laut Pünktlichkeitsreport 2023 kam fast jeder dritte Reisende verspätet an. Die mehrtägigen Bahnstreiks von EVG und GDL trugen ebenfalls nicht dazu bei, das Auto stehen zu lassen.

Der ADAC fordert seit Langem, das Angebot und die Qualität des ÖPNV zu verbessern. "Nur so kann der ÖPNV dauerhaft gestärkt werden und seinen wichtigen Beitrag zur Mobilitätswende leisten", so ADAC Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand. Dies unterstreicht auch eine ADAC Mitglieder-Umfrage: Fast 50 Prozent derer, die das Deutschland-Ticket derzeit nicht nutzen, würden diese Entscheidung bei einer besseren ÖPNV-Infrastruktur überdenken.

ADAC Monitor: Mobil in der Stadt

Rückkehr an den Arbeitsplatz

Einen stärkeren Einfluss auf Verkehrs- und Stauentwicklung als das Deutschland-Ticket scheinen andere Entwicklungen zu haben. "Immer mehr Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen arbeiteten offenbar 2023 wieder mehr in Präsenz und weniger im Homeoffice", vermutet ADAC Verkehrsdaten-Spezialistin Susanne Hessel. Darauf deutet der Anstieg der morgendlichen und nachmittäglichen Stau-Spitzen an den Wochentagen hin. "Die Stau-Spitze im Berufsverkehr von 6 bis 9 Uhr war 2023 deutlich ausgeprägter als noch 2022."

Staustrecken und Baustellen

Stau am Grenzübergang Suben Autobahn A3
Wieder einer der Stau-Hotspots: Der Grenzübergang Passau/Suben auf der A3© dpa

Wo Fahrspuren wegfallen oder enger werden, staut es sich besonders häufig. Zwischen 800 und 1500 Baustellen, die zeitgleich bestanden, wurden im vergangenen Jahr gemeldet – etwa die Hälfte davon aus Nordrhein-Westfalen. Zum Vergleich: 2022 gab es zwischen 600 und 1000 Baustellen gleichzeitig.

Die Staukarte 2023 zeigt die Baustellen und die Autobahn-Abschnitte, wo Fahrerinnen und Fahrer besonders oft standen. Spitzenreiter war die A10 zwischen Schönefelder Kreuz und dem Dreieck Spreeau, gefolgt von der A3 zwischen Köln und Oberhausen und dem kurzen Abschnitt auf der A3 zwischen dem Grenzübergang Passau/Suben und Passau (wegen der Grenzkontrollen). Auf den weiteren Plätzen: A8 zwischen Stuttgart und Karlsruhe und A4 zwischen Köln und Aachen.

Staureiche Monate: Juli bis September

Im Lauf des Jahres nahmen die Staustunden kontinuierlich zu. Von Januar 2023 an mit rund 20.000 Staustunden kletterte die Stauzeit bis sie mit jeweils rund 43.500 in den Monaten Juli, August und September ihren Höhepunkt erreichten. Ab Oktober 2023 ging die Zahl der Staustunden wieder zurück.

Beim Monatsvergleich mit dem Vorjahr zeigt sich, dass der ADAC über das gesamte Jahr hinweg deutlich mehr Staustunden als 2022 registriert hat. Gegenüber 2019 war das Stauniveau im vergangenen Jahr zwar geringer, allerdings wurden im August und Dezember 2023 sogar etwas mehr Staustunden als 2019 registriert. Im September und November 2023 blieb das Stauniveau nur geringfügig unter dem des Jahres 2019.

Staureichste Wochentage

Der Mittwoch und Donnerstag waren mit jeweils durchschnittlich rund 1500 Staustunden die staureichsten Wochentage. "Traditionell zählt aber auch der Dienstag zu den stärksten Tagen", erklärt ADAC Verkehrsdaten-Spezialistin Susanne Hessel. Dass sich der Montag in Sachen Staurisiko einmal mehr als schwächer erweist, könnte laut Hessel ein Corona-Effekt durch Homeoffice sein. Die Wochenenden waren insgesamt deutlich weniger staureich, wenngleich aber auf höherem Niveau als 2022.

Spitzentage des Jahres

Die deutschlandweit staureichsten Tage des Jahres 2023 waren:

  • Freitag, 29. September, (Freitag vor dem langen Wochenende mit dem Tag der Deutschen Einheit) mit insgesamt rund 2400 Staustunden

  • Freitag, 26. Mai, (Freitag vor dem Pfingstwochenende) mit rund 2300 Stunden Stau

  • Mittwoch, 17. Mai, (Tag vor Christi Himmelfahrt) mit rund 2250 Stunden Stau

  • Freitag, 27. Oktober, (Freitag vor dem Reformationstag und den Herbstferien in Bayern und Baden-Württemberg) mit rund 2250 Stau-Stunden

  • Dienstag, 5. Dezember, (Wintereinbruch) mit rund 2250 Stau-Stunden

Bestätigt wurde wieder einmal mehr, dass die Stausituation besonders schlimm wird, wenn Berufs-und Reiseverkehr zusammentreffen.

Längster Stau über 50 Kilometer

691 Staus mit einer Länge von mindestens 20 Kilometern registrierte der ADAC im vergangenen Jahr (2022: 383 Staus). Das waren die längsten:

  • A61 Mönchengladbach – Ludwigshafen zwischen AS Miel und Dreieck Nahetal sowie in der Gegenrichtung Ludwigshafen – Mönchengladbach zwischen Dreieck Nahetal und Kreuz Koblenz am Freitag, 20. Januar, wegen Wintereinbruch, Länge 56 bzw. 46 Kilometer

  • A4 Görlitz – Dresden zwischen Ludwigsdorf (Grenzübergang) und AS Wilsdruff am Dienstag, 30. Mai, (Dienstag nach dem Pfingstwochenende), Länge 54 Kilometer

  • A24 Schwerin – Berliner Ring zwischen AS Pritzwalk und AS Kremmen am Sonntag, 21. Mai, (Sonntag nach Christi Himmelfahrt), Länge 48 Kilometer

  • A24 Schwerin – Berliner Ring zwischen AS Meyenburg und AS Kremmen am Sonntag, 16. Juli, Länge 46 Kilometer

  • A4 Chemnitz – Görlitz zwischen AS Berbersdorf und Ludwigsdorf (Grenzübergang) am Donnerstag, 06. April, (Gründonnerstag), Länge 44 Kilometer

Megastau auf der Autobahn A4 in Richtung Görlitz in Höhe der Königshainer Berge
Die Lkw-Staus auf der A4 am Grenzübergang Ludwigsdorf waren 2023 besonders lang. 40 Kilometer und mehr waren keine Seltenheit© imago images/Max Stein

Trübe Aussichten für 2024

Insgesamt rechnen Berlitz und Hessel für 2024 mit einem steigenden Verkehrsaufkommen und mehr Staus. Noch weiter verschlechtern könnte die Lage der desolate Zustand Tausender Autobahnbrücken. "Mehr als 4000 Brücken müssen in den nächsten Jahren rechtzeitig durch neue ersetzt werden", sagt Berlitz, "gelingt das nicht, sind weitere und lang anhaltende Vollsperrungen und Staus die Folge." Wie verheerend sich der Sanierungsstau auswirkt, lässt sich seit 2021 in Lüdenscheid beobachten. Dort herrschen seit der Sperrung der Talbrücke Rahmede Tag und Nacht Verkehrschaos und Dauerstau.

Abfahren von der Autobahn

Drauf bleiben oder abfahren? Das ist die Frage, wenn auf der Autobahn nichts mehr geht. "Bei kleineren Staus im Berufsverkehr lohnt sich das selten", sagt ADAC Verkehrsexperte Berlitz, "denn die Ausweichrouten kennt jeder, daher sind die auch überlastet." Anders ist es bei Vollsperrungen: "Schnell runter, sonst bin ich dort unter Umständen über mehrere Stunden gefangen." Und bei den typischen Urlaubs-Staus sei Abfahren nur sinnvoll, wenn man Infos über die alternativen Strecken habe. Berlitz: "Sonst stehe ich dort auch."

Immer aktuell: So sammelt der ADAC Staudaten

Zur Stauermittlung nutzt der ADAC das sogenannte "Floating Car Data"-System. Dabei wurden rund 278 Milliarden Datensätze mit Positions- und Geschwindigkeitsinformationen von Lkw-Flotten sowie Nutzern von Smartphone-Apps verarbeitet. Ergänzt werden sie mit Baustellen-Infos. Alle zehn Minuten entsteht so ein aktuelles Bild von der Lage auf deutschen Autobahnen.

Die Kennzahlen für Stauereignisse sind weniger als 20 km/h (Stau) beziehungsweise 40 km/h (stockender Verkehr). "Ab einer Länge von mindestens 300 Metern sprechen wir von einem Stau", erläutert ADAC Datenexpertin Susanne Hessel, "aber erst ab einem Kilometer geben wir die Länge mit an."

Neue Verkehrsregeln, Spritpreise und Verbraucher-Tipps

Aktuelle Verkehrsinformationen des ADAC

Der ADAC hilft Ihnen mit aktuellen Verkehrsinformationen dabei, dass Sie möglichst zügig vorankommen. Und die aktuelle Verkehrslage in ADAC Maps zeigt den Echtzeit-Verkehrsfluss auf der Karte und kurzzeitige Störungen. Stauinformationen für Fahrten an den Wochenenden findet man in der Wochenend-Stauprognose.

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