Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 R 15/21 R

Versicherungs- und Beitragsrecht - Krankenpfleger - alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer - GmbH - Pflegedienstleistungen - Dienstleistungsverträge - Beatmungsentwöhnung - kein persönlicher Dienst - Hilfspersonen - keine Weisungen - Statusfeststellungsverfahren - Versicherungspflicht

Verhandlungstermin 20.07.2023 12:45 Uhr

Terminvorschau

J.-R. B. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund, beigeladen: 1. M. D. gGmbH, 2. Bundesagentur für Arbeit, 3. AOK Bayern - Die Gesundheitskasse, 4. Pflegekasse bei der AOK Bayern - Die Gesundheitskasse, 5. P. u. m. GmbH
Der Kläger ist ausgebildeter Krankenpfleger sowie alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der zu 5. beigeladenen GmbH. Unternehmenszweck ist unter anderem die Erbringung aller Arten von Pflegedienstleistungen im ambulanten und stationären Bereich. Für bestimmte Tage in den Jahren 2015 und 2016 schloss die GmbH als "Auftragnehmer" mit der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1. (Trägerin eines Krankenhauses) als "Auftraggeber" mehrere Dienstleistungsverträge über die eigenverantwortliche Planung, Durchführung, Dokumentation und Überprüfung der stationären Krankenpflege auf der Intensivtherapiestation (Schwerpunkt Weaning = Beatmungsentwöhnung). Vereinbart war ein Stundenhonorar von 40 Euro. Der Auftragnehmer war nicht verpflichtet, die Dienste in Person zu leisten, sondern berechtigt, nach Absprache mit dem Auftraggeber Hilfspersonen mit vergleichbarer Qualifikation heranzuziehen. Die Vertragsparteien waren sich darüber einig, dass durch die jeweilige Vereinbarung zwischen ihnen kein Arbeitsverhältnis begründet werden sollte. Der Auftragnehmer sollte keinen Weisungen des Auftraggebers unterworfen sein. Ihm war für den Fall der persönlichen Verhinderung und seines Unvermögens, Dritte heranzuziehen, ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt. Die Beklagte stellte im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens die Versicherungspflicht des Klägers in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. fest.

Das Sozialgericht hat die Verwaltungsentscheidung aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zwar spreche vieles dafür, die Tätigkeit des Klägers als Pfleger grundsätzlich als abhängige Beschäftigung einzuordnen. Soweit er nicht Vertragspartei der Trägerin des Krankenhauses gewesen sei, könne er zu dieser aber nicht in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden haben. Die maßgeblichen Dienstleistungsvereinbarungen seien mit der Beigeladenen zu 5. und nicht mit dem Kläger geschlossen worden. Auch im Sozialversicherungsrecht sei die jeweils eigenständige Rechtssubjektivität von natürlicher und juristischer Person zu beachten. Die Rechtspersönlichkeit beteiligter juristischer Personen könne nicht "hinwegfingiert" werden. Ein Scheingeschäft wegen Missbrauchs der Rechtsform liege nicht vor.

Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 7 Absatz 1 SGB IV und §§ 133, 157 BGB. Krankenpflegefachkräfte unterlägen regelmäßig als Beschäftigte der Sozialversicherungspflicht. Eine Ein-Personen-GmbH, deren einziges Geschäftsfeld die Überlassung von Pflegedienstleistungen des Gesellschafter-Geschäftsführers sei, nutze die GmbH als juristische Person in rechtsmissbräuchlicher Weise zur Umgehung sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen. In der Zwischenschaltung der Beigeladenen zu 5. liege auch ein Scheingeschäft.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Darmstadt, S 13 R 645/16, 15.02.2021
Hessisches Landessozialgericht, L 1 BA 25/21, 18.11.2021

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 29/23.

Terminbericht

Die zulässige Revision der Beklagten hat zur Aufhebung der Entscheidung des Landessozialgerichts und zur Zurückverweisung der Sache geführt. Der Senat konnte anhand der vom Landessozialgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob der Kläger in seiner Tätigkeit für die Rechtsvorgängerin der beigeladenen Krankenhausträgerin im streitigen Zeitraum aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterlag. Es fehlen insbesondere Feststellungen zur praktischen Durchführung der zwischen der früheren Krankenhausträgerin und der beigeladenen GmbH getroffenen Vereinbarungen. Der diesen Vereinbarungen zugrunde liegende Geschäftsinhalt (vergleiche hierzu Verfahren 3) ist maßgebend für die Beurteilung, ob die von der beigeladenen GmbH vertraglich geschuldete Tätigkeit eine Eingliederung des Klägers in die Organisation des Krankenhauses erforderte und in dessen Interesse weisungsgebunden zu erbringen war. Wenn das der Fall gewesen sein sollte, ist zudem festzustellen, ob die beigeladene GmbH über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung und über (weitere) qualifizierte Arbeitskräfte zur Erfüllung der übernommenen Tätigkeit verfügte. Schließlich fehlen für den Fall einer Beschäftigung Feststellungen zu den genauen Einsatzzeiten des Klägers und den tatsächlich erzielten Einnahmen (§ 6 Absatz 1 Nummer 1 SGB V).

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 29/23.

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