Israels Geheimdienst-Minister Steinitz in BILD: „Wer Hass gegen uns verbreitet, will zweiten Holocaust“

Yuval Steinitz, Israels Minister für Internationale Beziehungen und Geheimdienste

Israels Geheimdienst-Minister Yuval Steinitz (56) warnt vor einem „zweiten Holocaust“

Foto: Getty Images
Von: von HANS-JÖRG VEHLEWALD

BILD: Herr Minister, Israels Militärschläge gegen Gaza stoßen weltweit auf Protest. Auch in Deutschland werden antijüdische Parolen gerufen – sehen Sie darin eine Gefahr?

Yuval Steinitz: „Ja. Kritik an Israel ist legitim. Wir sind eine Demokratie. Aber diese angeblichen Friedenskämpfer wollen uns das Recht absprechen, unser Leben zu schützen. Das hat mit Friedensbewegung nichts zu tun. Das ist purer Antisemitismus. Wer solche Hassbriefe und Parolen auf der Straße oder im Internet verbreitet, will, dass wir Juden erhobenen Hauptes in den Tod gehen. Der will einen zweiten Holocaust im Nahen Osten.“

In Frankreich ist bereits von einer neuen Intifada die Rede...

Steinitz: „Ich sehe darin eine akute Gefahr! Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie ein neuer Antisemitismus in den politischen Zentren Europas heranwächst. Und ich fordere die europäischen Regierungen auf, diese gefährlichen Tendenzen wirksam zu bekämpfen.“

12 Tage läuft die Militäraktion gegen Gaza, seit letzter Woche auch mit Bodentruppen. Was hat die "Operation Protective Edge" bisher gebracht?

Steinitz: „Wir haben etwa 50 Prozent der Raketen in Gaza ausgeschaltet. Und ungefähr die Hälfte aller Tunnel aufgespürt und zerstört, durch die immer wieder Angriffe gegen unser Land verübt wurden.“

Was genau sind die Ziele der Operation?

Steinitz: „Wir haben drei Ziele: Erstens wollen wir die militärische Infrastruktur der Terroristen entscheidend schwächen. Dazu gehört auch, die Fabriken für Raketen und Mörser-Granaten zu zerstören, mit denen die Hamas ihre Kämpfer ausrüstet. Das haben wir so weit möglich geschafft.

Zweitens: Frieden und Sicherheit für unsere Städte und Bewohner. Das heißt: Keine weiteren Bomben mehr auf Israel! Dieses Ziel haben wir noch nicht erreicht. Noch immer gehen Raketen auf uns nieder, 2000 in nur zwei Wochen! Die Sirenen auch hier in Jerusalem dröhnen dauernd.“

Und das dritte Ziel?

Steinitz: „Eine Entmilitarisierung des Gazastreifens, so wie es einst im Oslo-Abkommen beschlossen wurde. Bedenken Sie: Als wir 2005 aus dem Gazastreifen abzogen, die Siedlungen aufgaben, alle Soldaten sich zurückzogen, hat Palästinenserchef Abbas versprochen, es werde keine neuen Angriffe aus Gaza geben. Damals hatte die Hamas 5000 Terrorkämpfer. Heute sind es 25 000.

Wie stark ist die Hamas wirklich?

Steinitz: „Militärisch sind sie sehr stark. Sie haben Millionen in die Aufrüstung mit illegalen Waffen gesteckt, in den Bau von Munitionsfabriken und von Tunnels, die für Terrorangriffe genutzt werden, aber auch für den Schmuggel von Waffen und Waren.

Aber politisch ist Hamas schwächer denn je. Sie haben die Unterstützung im Volk verloren, weil sie alles Geld in die Bewaffnung stecken statt in Straßen, Schulen, Häuser. Auch die Wirtschaft in Gaza ist am Ende, weil die Tunnel nach Ägypten zerstört sind. Das hat den Handel und die Versorgung der Palästinenser erheblich erschwert.“

Auch alte Verbündete der Region haben ihre Unterstützung für Hamas eingestellt.

Steinitz: „Ja. In Ägypten wurden die Muslimbrüder abgesetzt, die neue Führung bekämpft die Hamas. Auch Iran, Irak, Syrien haben sich zurückgezogen. Die Hisbollah im Libanon ebenso. Hamas steht heute völlig isoliert da. Vielleicht einer der Gründe, warum sie jetzt so wild um sich schlagen.“

Aber woher kommt dieser tiefe Hass gegen Israel?

Steinitz: „Das ist auch für mich ein Rätsel. Es ist ja nicht allein der Hass gegen Juden und Israel. Sie scheinen gegen alles zu kämpfen, was nicht islamisch ist. Gegen die USA, den gesamten Westen. Sogar Anschläge auf den Vatikan, auf das Parlament in London haben sie angekündigt. Mit den zig Millionen friedfertigen Arabern in der Welt haben diese Menschen nichts gemein. Das sind Fanatiker, wie die Terroristen von ISIS oder Al Qaida.“

Dennoch, irgendwann wird es eine politische Lösung zwischen Israel und Palästina geben müssen.

Steinitz: „Aber nicht, so lange das Bombardement auf unser Land weitergeht. Wir haben letzte Woche dem Vorschlag Ägyptens entsprochen und eine sechsstündige Waffenruhe eingehalten. Die Hamas hat weiter gebombt. Das muss aufhören.“

Was können Deutschland oder die USA tun, um zu helfen? US-Außenminister Kerry ist ja derzeit auf Vermittlungsmission in Nahost.

Steinitz: „Wir sind sehr dankbar, dass Kanzlerin Merkel, Außenminister Steinmeier und sein US-Kollege Kerry klargestellt haben, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen. Und dass die USA die Vermittlungsbemühungen der Ägypter und der Arabischen Liga unterstützen, die eine Waffenruhe und einen Prozess der Entmilitarisierung in Gaza vorsehen. Wenn die palästinensische Seite sich darauf einlässt, wäre eine Lösung möglich.“

... und das Töten könnte endlich aufhören?

Steinitz: „Ja, wir haben diesen Konflikt ja nicht gewollt. Die Bomben der Hamas haben uns wie aus heiterem Himmel getroffen. Uns tut es leid um jeden unschuldigen Toten, den dieser Konflikt fordert. Deshalb tun wir alles, um zivile Opfer zu vermeiden. Wir rufen in den Häusern an, in deren Nähe wir Hamas-Stellungen bombardieren. Wir fordern die Bewohner auf, die Häuser zu verlassen. Doch viele werden von Hamas unter Waffengewalt wieder in die Wohnungen zurückgetrieben. Sie benutzen Frauen und Kinder als Schutzschilde.“

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