Ausgabe Juli 2013

Profite versus Menschenleben

Argentinien und das schwierige Erbe der deutschen Diplomatie

Ein „verkaufter Mercedes wiegt zweifellos mehr als ein Menschenleben“ – Ernst Käsemann[1]

Mit Jorge Rafael Videla starb am 17. Mai dieses Jahres ein Symbol des lateinamerikanischen Staatsterrors der 70er und 80er Jahre. Videla war Präsident der Militärdiktatur, die von 1976 bis 1983 in Argentinien herrschte. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen entführten, folterten und ermordeten die Schergen der Militärjunta in dieser Zeit 30 000 Menschen. Videla starb 87jährig im Gefängnis, wo er eine lebenslange Haftstrafe verbüßte und weiteren Prozessen wegen Menschenrechtsverletzungen entgegensah.

Die juristische Aufarbeitung des „schmutzigen Krieges“ in Argentinien, die für Lateinamerika als vorbildlich gilt, ist auch dem inzwischen verstorbenen Präsidenten Néstor Kirchner zu verdanken. Auf sein Betreiben hin hob das Oberste Gericht Argentiniens im Jahr 2005 sämtliche Amnestiegesetze und Begnadigungen auf. Damit ebnete es den Weg für die Eröffnung von Gerichtsverfahren für bis dahin nicht aufgearbeitete Staatsverbrechen.

Seit den 60er Jahren bis weit in die 80er Jahre hinein regierten in weiten Teilen Lateinamerikas rechtsgerichtete Militärdiktaturen: In Paraguay putschte das Militär im Jahr 1954, in Bolivien und Brasilien 1964, in Peru 1968, in Ecuador 1972, in Chile und Uruguay 1973 und schließlich in Argentinien im Jahre 1976. Die mit Hilfe der USA installierten Militärs setzten sich vor dem Hintergrund der kubanischen Revolution und des Kalten Krieges als wichtigstes programmatisches Ziel, die sogenannte internationale kommunistische Subversion mit allen Mitteln zu bekämpfen. Im Jahr 1975 trafen sich Vertreter des argentinischen, bolivianischen, paraguayischen, uruguayischen und brasilianischen Militärs unter Führung des chilenischen Geheimdienstchefs, Oberst Manuel Contreras, in Santiago de Chile, um die Operation Condor zu beschließen. Sozialistische und linksrevolutionäre, aber auch soziale, unabhängige Aktivitäten in Armenvierteln oder in Gewerkschaften sollten damit im Keim erstickt werden. Für soziale Sentimentalitäten hatten die Vertreter eines rigorosen, international ausgerichteten Wirtschaftsliberalismus wenig übrig.

Doch während Argentinien sich heute seiner Vergangenheit stellt, übernimmt die Bundesregierung bislang keine Verantwortung für ihre zweifelhafte Rolle gegenüber der argentinischen Diktatur in den 70er Jahren. Bis heute ist nicht aufgearbeitet, welche politische Verantwortung insbesondere dem Auswärtigen Amt (AA) im Zusammenhang mit der Entführung, Folter und Ermordung deutscher Staatsangehöriger zukommt. Dabei hat das Thema Menschenrechte in der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland im letzten Jahrzehnt an Bedeutung gewonnen. Doch vor nicht allzu langer Zeit waren Menschenrechtsfragen in den internationalen Beziehungen gegenüber Wirtschaftsinteressen und Blockloyalitäten im Spannungsfeld von Ost und West von weit nachgeordneter Bedeutung. Dies betraf auch den lateinamerikanischen Kontinent, der dem westlichen Einflussbereich zugeordnet und von den USA als ihr „Hinterhof“ bezeichnet wurde.

Deutsch-argentinische Freundschaft zur Zeit der Militärdiktatur

Argentinien war in den 70er Jahren ein wichtiger Wirtschaftspartner der Bundesrepublik. Zahlreiche deutsche Firmen besaßen Niederlassungen in Argentinien, die deutsche Fischereiwirtschaft und das Bundesministerium für Landwirtschaft waren an einer Zusammenarbeit mit Argentinien interessiert, um eines der „letzten großen, wenig genutzten Fischreserven der Welt mit einer möglichen Jahresproduktion von zwei bis drei Mio. t.“ auszubeuten.[2] Der deutsche Botschafter in Argentinien, Jörg Kastl, befürchtete im Juli 1977 das Scheitern eines bereits von der Bundesregierung vor dem Putsch genehmigten Exports von Panzern der Firma Thyssen-Henschel, die in einer deutsch-argentinischen Kooperation entwickelt worden waren. Sollte Argentinien „in die Schusslinie“ von Menschenrechtskritikern geraten, wäre der Rüstungsauftrag in Gefahr.[3] Dabei sei der Auftrag „die Belohnung für die bisher geleistete Entwicklungsarbeit. Die Verwirklichung dieses Geschäfts würde sich positiv auf die deutsch-argentinischen Wirtschaftsbeziehungen auswirken und die argentinische Regierung wirtschaftlich noch mehr auf die Bundesrepublik Deutschland ausrichten.“[4]

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Karl Moersch, befürwortete eine bundesdeutsche Entwicklungshilfe für lateinamerikanische Diktaturen,[5] da andernfalls bei ausbleibendem Wirtschaftswachstum „der Kommunismus Gehör finden“ würde. Er riet außerdem, verstärkt jene Länder zu unterstützen, die „potentiell einflussreiche Mächte“ seien, wie beispielsweise Brasilien und Argentinien. Denn für „die Zukunft wird es uns wahrscheinlich wenig nützen, politisch einflusslosen Ländern geholfen zu haben, wenn wir uns die Meinungsmacher nicht auch zu Freunden gemacht haben“.[6] Diese Haltung konnte sich im AA offenbar durchsetzen: Der deutsche Botschafter empfahl kurz nach dem Putsch in Argentinien, den für den Bau eines Wasserspeichers vorgesehenen „Entwicklungskredit von DM 12 Mio. für die teilweise Finanzierung von Fernseheinrichtungen zu verwenden, die Argentinien für die Fernsehübertragung bei den Fußballweltmeisterschaften 1978“ brauche.[7]

Hier wird deutlich, dass die Bundesregierung nicht nur Entwicklungshilfe an eine Diktatur leistete und intensive wirtschaftliche Beziehungen mit ihr pflegte, sondern auch die Austragung der Fußballweltmeisterschaft 1978 in Argentinien unterstützte. Damit bot die Bundesregierung der Junta zugleich die Gelegenheit, sich international zu inszenieren und Menschenrechtsverstöße zu marginalisieren. Für Videla wurde das Austragen der Fußballweltmeisterschaft sein „größter Triumph“.[8] Die historische Erkenntnis, dass schon der nationalsozialistischen Diktatur 1936 die Olympischen Spiele zur Beruhigung und Täuschung der internationalen Öffentlichkeit dienten, war für die Bundesregierung ohne Belang. Die sich in diesem Zusammenhang eröffnende Chance, politischen Druck auf die Argentinier bezüglich der Menschenrechtslage auszuüben, ließ die bundesdeutsche Außenpolitik ungenutzt verstreichen.

Die stille Diplomatie der Bundesregierung

Im Kontext dieser deutsch-argentinischen Freundschaft verfolgte die Bundesregierung im Falle von Menschenrechtsverletzungen die außenpolitische Strategie der sogenannten stillen Diplomatie. Staatsminister Moersch empfahl diese gegenüber den lateinamerikanischen Diktaturen, nachdem er im Juli 1976 Chile, Argentinien, Uruguay und Brasilien bereist hatte.[9] Botschafter Kastl erklärte, Moersch habe die deutsche „Politik gegenüber Argentinien vorgezeichnet“.[10] Sie solle „diskret und ohne Belehrung […] auf Notwendigkeit rechtsstaatlicher Normen und demokratischer Evolution“ hinweisen. Argentinien müsse „mit Geduld und Verständnis“ begegnet werden, sonst stünde zu befürchten, dass auf die rechtsgerichteten Militärdiktaturen ein „marxistischer Gegenschlag“ folge. Folglich gelte es, die bestehenden Regierungen zu stabilisieren. Das Auswärtige Amt und die Botschaft befürchteten, zwei in der Junta bestehende Lager – die „Falken“ und die „Tauben“, die über das Vorgehen gegen die politische Opposition unterschiedlicher Auffassung waren – könnten Argentinien destabilisieren.[11] Die Position des Staatspräsidenten Videla, der dem Lager der Tauben zugerechnet wurde, sollte daher nicht mit offener Kritik oder Sanktionen geschwächt werden. Der deutsche Botschafter betonte noch im Juli 1977, dass die „Festigung der Position“ Videlas im Interesse der Bundesrepublik läge, und empfahl, man müsse die deutsch-argentinischen Beziehungen „sorglich pflegen und ausbauen“[12] – und das, obwohl zu diesem Zeitpunkt die „Rettung“ deutscher Staatsangehöriger aus den Fängen der Militärdiktatur bereits gescheitert war.

Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die argentinische Regierung Videla gezielt als Taube inszenierte. Denn bis zum Ende seines Lebens zeigte sich Videla kompromiss- und reuelos.[13] Die Ermordung vieler politischer Oppositioneller, erklärte er über 30 Jahre später, sei notwendig und rechtmäßig gewesen. Sich selbst sah er als politischen Gefangenen und forderte noch kurz vor seinem Tod das Militär auf, gegen die amtierende Präsidentin Cristina Kirchner zu putschen.[14]

Die Falken-Tauben-Theorie nützte jedoch nicht nur der Militärjunta, sondern auch der Bundesregierung. Mit ihr als Begründung konnte sie in stiller Diplomatie einer politischen Konfrontation mit der Junta in der Menschenrechtsfrage aus dem Weg gehen, die nationalen wirtschaftlichen Interessen schützen und zugleich ihrem außenpolitischen Bündnispartner, den USA, Loyalität erweisen.

Dabei waren der bundesdeutschen Vertretung in Buenos Aires Menschenrechtsverletzungen und rechtsgerichteter Staatsterror in Argentinien seit dem Militärputsch bekannt.[15] Im Frühjahr 1977 berichtete Botschafter Jörg Kastl, schon der „Einsatz für soziale Belange bedeutet […] eine Identifizierung mit marxistischem Gedankengut“ und galt damit als subversiv.[16] Die Botschaft wusste, dass christliches Engagement von Pfarrern in den Elendsvierteln ausreichte, deren Sicherheit zu gefährden.[17]

Da die Militärjunta internationale Proteste vermeiden wollte, bediente sie sich der Methode des sogenannten Verschwindenlassens: Militärische Einheiten entführten die Opfer und ließen sie in Folterzentren verschwinden. Nachdem aus ihnen alle Informationen herausgepresst worden waren, wurden sie ermordet.

Der Fall Elisabeth Käsemann

Auch politisch engagierte deutsche Staatsangehörige, insgesamt 102 Personen, waren von der Verfolgung durch den argentinischen Staat betroffen: Sie wurden entweder verhaftet, entführt oder ermordet.[18] Eine von ihnen – und die wohl bekannteste – ist Elisabeth Käsemann, die Tochter des Tübinger Theologen Ernst Käsemann. Die damals 22jährige war 1969 zum Studium nach Argentinien gegangen und hatte sich dort sozial und politisch engagiert. Am 8. März 1977 entführten Militäreinheiten Käsemann und ermordeten sie nach wochenlanger Folter am 24. Mai, kurz nach ihrem 30. Geburtstag.

Ein solches Verschwinden einer deutschen Staatsangehörigen in der Militärdiktatur hätte bei den deutschen Behörden höchste Besorgnis hervorrufen und den Einsatz aller diplomatischen Mittel erforderlich erscheinen lassen müssen. Doch die Reaktion der deutschen Behörden fiel erstaunlich schwach aus. Gerade am Beispiel Elisabeth Käsemanns, das durch die Akten des AA, der Deutschen Botschaft, des Diakonischen Werkes der EKD und durch Zeugenaussagen besonders gut dokumentiert ist, lässt sich für die deutsche Außenpolitik gegenüber der argentinischen Militärdiktatur ein fatales Zusammenspiel von stiller Diplomatie, Fahrlässigkeit und politischer Fehleinschätzung, aber auch ideologischer Voreingenommenheit feststellen.

Mit den Fällen der deutschen Verschwundenen in Argentinien war neben Außenminister Hans-Dietrich Genscher und dem Botschafter in Argentinien die Zentrale des Auswärtigen Amtes in Bonn befasst. Für Rechtshilfe und für im Ausland in Not geratene Deutsche war die Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes (das Referat 511 der Abteilung 5) zuständig. Das Länderreferat Lateinamerika der Politischen Abteilung (Referat 300 der Abteilung 3) mit dem Referatsleiter und späteren Beauftragten für Lateinamerikapolitik im AA, Karl-Alexander Hampe, war damit betraut, die außenpolitische Haltung gegenüber Lateinamerika mit Rücksicht auf die Weisungen der Bundesregierung und des Bundesministers auszuarbeiten.

Sowohl das Diakonische Werk als auch Beamte des argentinischen Außenministeriums selbst zeigten sich über die verhaltene Reaktion des Auswärtigen Amtes auf den Tod von Elisabeth Käsemann erstaunt.[19] Denn seit die Botschaft am 22. März 1977 über das Verschwinden Käsemanns informiert worden war, hatte sie bei argentinischen Behörden und Militärangehörigen nach ihrem Verbleib gefragt. Das Ergebnis der ersten Nachforschungen übermittelte der Botschafter dem AA mit den Worten: „Hiesigen Behörden ist der Fall unbekannt.“[20] Die Botschaft akzeptierte diese Auskunft, obwohl Käsemann im Jahr zuvor ihren deutschen Pass unter Angabe der argentinischen Cédula Identidad bei der Botschaft verlängern ließ und den Erhalt des Passes am 11. Februar 1976 quittierte. Als die Botschaft erst Wochen später in der Lage war, den Aufenthalt von Käsemann in Buenos Aires nachzuweisen[21],leiteten die von ihr angesprochenen argentinischen Behörden sie mit der Auskunft weiter, sie seien nicht zuständig. Erst am 2. Juni 1977 erfuhr die Botschaft durch eine Pressemitteilung des ersten Heereskorps des argentinischen Militärs aus der Zeitung, dass Elisabeth Käsemann am 24. Mai bei einem Feuergefecht erschossen worden sei.[22] Doch selbst angesichts dieser offenen Brüskierung reagierte die Bundesregierung äußerst zurückhaltend: Sie protestierte lediglich mit Hinweis auf die Verletzung des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen. Der deutsche Botschafter blieb zwar dem deutsch-argentinischen Freundschaftsspiel am 5. Juni im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft fern, eine Absage des Spiels erwog das AA aber nicht. Denn das Referat 511 im AA hielt es „nicht für opportun, zu diesem Zeitpunkt Protestcharakter besonders hervorzuheben“.[23] Die argentinische Seite wertete die Zurückhaltung als „Entgegenkommen“.[24] Zwei Wochen später, nachdem eine Stellungnahme der Argentinier ausblieb, mahnte Kastl jedoch an, dass ein „deutlicher und öffentlicher Ausdruck unseres Unmuts überfällig“ sei, denn die „Geltung als ernst zu nehmender Partner Argentiniens [stünde] auf dem Spiel“.[25]

Doch Kastls Mahnung blieb ohne Wirkung. Die mit wochenlanger Verspätung eingehende Stellungnahme des argentinischen Außenministeriums, nach der Elisabeth Käsemann während eines Schusswechsels zwischen argentinischen Militärs und Terroristen den Tod fand[26] und mit der ihre Erschießung durch argentinische Militäreinheiten als Akt der Terrorbekämpfung gerechtfertigt wurde, akzeptierte die Bundesregierung bis auf wenige ergebnislose Nachfragen; sie blieb sogar bis heute unwidersprochen. Für die Darstellung der argentinischen Behörden verlangte die Bundesregierung keine Beweise. Dabei hatte die in Deutschland durchgeführte Obduktion ergeben, dass Elisabeth Käsemann regelrecht hingerichtet worden sein muss: Entgegen dem argentinischen Obduktionsbericht, in welchem Schüsse von vorne festgestellt wurden, sind den deutschen Gerichtsmedizinern zufolge alle Treffer von hinten in Genick und Oberkörper erfolgt.[27]

Außenpolitik mit zweierlei Maß

Beweise forderte die Bundesregierung hingegen von kirchlichen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und Angehörigen, die Entführung deutscher Staatsangehöriger durch argentinische Militärs zu belegen. Indizien, die eindeutig für die Verhaftung deutscher Staatsangehöriger sprachen, befand die Bundesregierung für unzureichend.[28] Sie erklärte, ohne Beweise im juristischen Sinne könne sie den argentinischen Behörden nicht mit Nachdruck entgegentreten.[29]

Ganz offensichtlich maß die Bundesregierung hier mit zweierlei Maß: Der Umstand, dass sie von deutschen Solidaritätsinitiativen eine juristischen Standards genügende Beweislage einforderte, welche sie umgekehrt von den argentinischen Behörden nicht verlangte, kann nur als schwerwiegendes Versagen oder als bewusste Strategie gewertet werden. Das Gleiche gilt für die damals vertretene Auffassung, ein lateinamerikanisches Unrechtsregime ließe sich mit rechtsstaatlicher Beweisführung unter Druck setzen.

Die Aussichtslosigkeit, Elisabeth Käsemann mit Hilfe der stillen Diplomatie aus den Folterzentren der Junta zu befreien, wurde noch dadurch verstärkt, dass Botschaft und Auswärtiges Amt sich die ihnen bietenden Gelegenheiten zur Rettung der Verschwundenen und zur Beschaffung beweiskräftiger Informationen ungenutzt verstreichen ließen. So informierte Kastl das Auswärtige Amt am 24. Mai 1977, dass „Befreiung Frl. Käsemanns möglicherweise mit Geld erreicht werden könnte“.[30]

Der Botschafter erhielt vom Auswärtigen Amt jedoch keine Weisung, dieser Möglichkeit oder dem Angebot als einer Informationsquelle nachzugehen. Am 31. August 1977 erklärte Genscher dem SPD-Bundestagsabgeordneten Karsten D. Voigt: „Ein derartiges Angebot [Freikaufangebot, Anm. d. Verf.] ist der Botschaft gegenüber zu keinem Zeitpunkt erfolgt.“[31] Zeugen, die sich zur Aussage bereit erklärten, befand die Botschaft für unglaubwürdig,[32] ohne dass sie sie auch nur angehört hätte.[33] Informationen wurden leichtfertig für falsch erklärt, ohne dass sie mit Sorgfalt geprüft wurden. Dem Hinweis, Käsemann würde in einem Lager namens Campo Palermo festgehalten, entgegnete der Botschafter, es existiere kein Lager mit dieser Bezeichnung, „wenn auch im Stadtteil Palermo mehrere Einrichtungen des Heeres liegen, u.a. auch Erstes Heereskorps, das für Subversionskampf amtlich zuständig“ sei.[34] Den Ratschlag der Diakonie, im Falle Käsemann ein Habeas-Corpus-Verfahren einzuleiten, verwarf die Botschaft als wenig aussichtsreich[35], obwohl Menschenrechtsorganisationen und Angehörige bis 1979 in Argentinien bereits 6000 Habeas-Corpus-Anträge gestellt hatten.[36] Auch wenn die Militärregierung diese Personen offiziell einfach als vermisst meldete, waren Habeas-Corpus-Anträge ein Mittel, auf das zahlreiche Verschwinden von Menschen hinzuweisen.

Der Fall Klaus Zieschank

Das Ausmaß der Toleranz gegenüber den vom argentinischen Staat verübten Menschenrechtsverletzungen wird auch deutlich an einem zweiten Fall, dem des deutsch-argentinischen Studenten Klaus Zieschank. Der 24jährige wurde am 22. März 1976 in Anwesenheit seiner Mutter aus ihrem Haus von Militärs entführt.[37] Annemarie Zieschank wandte sich umgehend an die Deutsche Botschaft, der gegenüber die örtliche Polizeibehörde die Verhaftung Zieschanks bestätigte,[38] während sie sie am Abend desselben Tages gegenüber Annemarie Zieschank wieder leugnete. Als Annemarie Zieschank wenige Tage später eine Stelle des argentinischen Heeres mit dem Hinweis konfrontierte, die Verhaftung ihres Sohnes sei gegenüber einem Botschaftsangehörigen bestätigt worden, drohte der angesprochene Offizier, den Mitarbeiter der Deutschen Botschaft wegen Verleumdung verhaften zu lassen. Weitere bilaterale Gespräche im Falle Zieschanks konnten weder seine Freilassung erreichen noch – zumindest offiziell – sein Schicksal aufklären. Erst 1984 wurde seine Leiche aufgefunden und von Menschenrechtsorganisationen identifiziert.

Botschafter Kastl sagte später aus, er habe bereits im Sommer 1976 vom Tod Zieschanks erfahren, aber Genscher habe ihm untersagt, diese Information weiterzuleiten.[39] Offiziell nahm die Bundesregierung die Antwort des argentinischen Präsidenten Videla auf ein Schreiben des deutschen Bundeskanzlers vom 7. August 1976 ohne größeren Widerstand hin. In dieser erklärte Videla, die argentinische Regierung habe das Schicksal der beiden vermissten Deutschen, Zieschank und Falk, nicht klären können.[40] Das Schweigen der Bundesregierung zum Mord an Zieschank konnte die Junta nur als Duldung ihrer Methoden verstehen. Noch 1977, ein Jahr nach dem Verschwinden von Zieschank, bat Hans-Dietrich Genscher den argentinischen Außenminister Guzzetti um Aufklärung über das Verschwinden der deutschen Staatsangehörigen Peter Falk und Klaus Zieschank.[41] Der deutsche Außenminister akzeptierte ein empörtes Antwortschreiben seines argentinischen Kollegen, in welchem dieser erklärte: „Eindeutig klarstellen möchte ich, dass es in der Republik Argentinien keine Verhaftungen oder Todesfälle unter widersprüchlichen Umständen gibt und ebenso wenig Fälle zweifelhaften Verschwindens.“[42]

Toleranz und Kooperation

Die Frage nach einer strategischen Toleranz im Sinne stiller Diplomatie stellt sich schließlich auch hinsichtlich der Kooperation von Botschaft und Mitgliedern der argentinischen Polizei, des Geheimdienstes und der Alianza Anticomunista Argentina, einer rechtsgerichteten Todesschwadron.[43] Eine Unkenntnis über die Doppeltätigkeit argentinischer Botschaftsangestellter erscheint wenig glaubwürdig angesichts der Aussage eines deutschen Botschaftsangehörigen, dass sich argentinische Mitglieder des Sicherheitsdienstes der Botschaft mit Folterschilderungen vor dem diplomatischen Korps brüsteten.[44] Angehörige von Verschwundenen wurden unter Druck gesetzt, gegenüber dem argentinischen Personal der Botschaft Angaben über das soziale Umfeld der Verschwundenen zu machen. Ein Ansinnen mit Folgen, da der argentinische Offizier Peirano Informationen über das politische und soziale Umfeld von Verschwundenen an jene Exekutive weiterleitete, die mit der Eliminierung der „Subversion“ im Land beauftragt war.[45] Erst 1999 räumte das AA die Zusammenarbeit mit Major Peirano ein. Eine Aufklärung der Hintergründe steht auch in diesem Fall bis heute aus.

Beschwichtigung statt Aufklärung

Rückblickend lässt sich feststellen, dass sich die Aktivitäten der Bundesregierung zur „Rettung“ deutscher Staatsangehöriger aus den Folterzentren der argentinischen Militärdiktatur in erster Linie auf vorsichtige Anfragen und leere Drohungen beschränkten. Der Langmut bundesdeutscher Diplomaten angesichts der systematischen Hinhaltetaktiken und der durchgängigen Missachtung konsularischer Abkommen und des internationalen Rechts durch die Argentinier war beispiellos. Man bat um Aufklärung der Schicksale verschwundener Deutscher, brachte immer wieder eine ernste Verstimmung zum Ausdruck und deutete vage Konsequenzen für das deutsch-argentinische Verhältnis an, sollte dem Anspruch nach Aufklärung nicht Genüge getan werden. Anstatt die argentinische Militärjunta mit ihrer offensichtlichen Verantwortung für die Entführung deutscher Staatsangehöriger zu konfrontieren, anstatt diplomatische Druckmittel einzusetzen wie beispielsweise die Einrichtung eines Krisenstabs, die Entsendung eines Sonderbeauftragten, die Rückberufung des Botschafters oder die Androhung konkreter wirtschaftlicher und politischer Sanktionen,[46] hielt die Bundesregierung bis zum Ende der argentinischen Diktatur und auch darüber hinaus an der stillen Diplomatie fest. Selbst lange nach Ende der Diktatur bemühte sich die deutsche Auslandsvertretung nicht nachdrücklich um die Aufklärung der Morde an deutschen Staatsangehörigen, obwohl an den Fällen Elisabeth Käsemann und Klaus Zieschank großes öffentliches Interesse bestand, sich Solidaritätsinitiativen gebildet hatten und auch von zahlreichen SPD-Bundestagsabgeordneten Aufklärung gefordert worden war.[47]

Um die Öffentlichkeit zu beschwichtigen, stellte das Auswärtige Amt das Verschwinden von Deutschen in Argentinien als Einzelfälle dar. So wurde die Bedeutung dieser Fälle gemindert und auf die Eigenverantwortlichkeit der Opfer verwiesen. Dabei wusste das Auswärtige Amt bereits im August 1977 von 48 verschwundenen oder verhafteten Deutschen.[48]

Dass politisch aktiven Deutschen in Zeiten des Deutschen Herbstes ein vollumfänglicher Rettungseinsatz im befreundeten Ausland versagt blieb, hängt nicht zuletzt auch mit der konservativen Ausrichtung des Auswärtigen Amtes und seiner traditionellen Verwurzelung im ideologisch antikommunistischen Lager der Bundesrepublik zusammen.[49] Der Leiter des Lateinamerika-Referats im Auswärtigen Amt, Karl-Alexander Hampe, erklärte 1977, es sei falsch, „wenn die Länder Lateinamerikas als von unmenschlichen Systemen beherrscht dargestellt“[50] werden würden, denn „die Masse des argentinischen Offizierskorps [fühle sich] rechtsstaatlichen Traditionen verpflichtet“.[51]Der argentinische Präsident Videla sei „ein hochanständiger Mann“.[52] In der Bundesrepublik gäbe es „Kreise, […] die mit unserer Haltung gegenüber solchen lateinamerikanischen Regierungen, die von Streitkräften getragen werden, nicht einverstanden“ wären. Deshalb würden sie „die argentinischen Machthaber als systematische und brutale Unterdrücker“ darstellen, dabei hätten diese Gruppen in Zusammenarbeit mit „lateinamerikanischen Emigranten den Sturz der Militärregime in Südamerika“[53] zum Ziel. Ein „Mittel zum Zweck“ sei dabei, dieses Ziel als „humanitäres Anliegen“ darzustellen. Wie wenig nachdrückliches Interesse auf Seiten der deutschen Behörden an einer Aufklärung der Fälle bestand, zeigt auch, dass deutsche Diplomaten, die über den öffentlichen Druck im Falle Käseman klagten, sich von ihren argentinischen Kollegen beruhigen ließen, dass der Fall Käsemann „angesichts der akuten Terrorismusprobleme der Bundesrepublik“ ohnehin bald „in den Hintergrund treten dürfte“.[54]

Eine neue Sensibilität im Auswärtigen Amt?

Die Morde an den verschwundenen und getöteten deutschen Staatsangehörigen sind heute sowohl in Argentinien als auch in Deutschland längst juristischer Tatbestand. 1983 stellten Angehörige deutscher Verschwundener Strafanzeige gegen Genscher und Beamte des Auswärtigen Amtes und der Deutschen Botschaft wegen unterlassener Hilfeleistung.[55] Während Genscher durch seine Abgeordnetenimmunität vor einer Strafverfolgung geschützt war, wurde zumindest gegen Beamte des Auswärtigen Amtes und der Deutschen Botschaft ein Ermittlungsverfahren eröffnet.

Angesichts der im Zusammenhang mit der Entführung, Folter und Ermordung deutscher und deutschstämmiger Staatsangehöriger in Argentinien gestellten Strafanzeigen in fast 40 Fällen[56] besteht der Anspruch auf eine öffentliche Stellungnahme des Auswärtigen Amtes zu den damaligen Vorgängen. Doch das Auswärtige Amt hat seine letzte öffentliche Stellungnahme vom Herbst 1977 bisher nicht korrigiert, in der die damalige Staatssekretärin Hildegard Hamm-Brücher erklärte: in „keinem der Fälle haben wir hinreichende Anhaltspunkte oder gar Beweise dafür, dass die argentinischen Angaben nicht zutreffen […]. Auch im Fall Käsemann stehen uns bis heute nur Behauptungen, aber keine Beweise zur Verfügung.“[57] Und auch Genscher wurde bisher nicht öffentlich zu den Vorwürfen befragt, obwohl seine Haltung gegenüber Menschenrechtsverletzungen auch in letzter Zeit immer wieder in der öffentlichen Kritik stand.[58]

Während Argentinien seine politische Vergangenheit aufarbeitet und die Täter vor Gericht stellt, ist die Mitverantwortung des deutschen Staates für die argentinischen Diktaturverbrechen von staatlicher Seite bisher weder benannt noch geklärt.

Durch den Generationswechsel im Auswärtigen Amt ist jedoch eine neue Sensibilität im Umgang mit Staaten, in denen die Menschenrechte verletzt werden, wirksam geworden. Die Bundesregierung tritt inzwischen als Nebenklägerin bei den argentinischen Prozessen auf und unterstützt die Angehörigen der Verschwundenen. Eine Außenpolitik ohne Einbeziehung der Menschenrechtsfrage erscheint heute nicht mehr möglich. Auch im Fall Käsemann ist ein Anfang gemacht: Der spätere Leiter des Lateinamerika-Referats im Auswärtigen Amt, Bernd Sproedt, räumte im Jahr 2001 auf einer Tagung ein, im Fall Käsemann seien „ganz bestimmt Fehler gemacht“ worden.[59] Damit jedoch ist der historischen Aufarbeitung vergangener außenpolitischer Versäumnisse noch lange nicht Genüge getan. Die Bundesregierung muss endlich Verantwortung übernehmen und sich den offenen Fragen zur bundesrepublikanischen Außenpolitik stellen – das schuldet sie nicht zuletzt auch der demokratischen Kultur unseres Landes.

 

[1] Ernst Käsemann, Henkern und Mördern nicht das letzte Wort lassen. Die offizielle Version über den Tod Elisabeth Käsemanns und ihre Deutung, in: „Junge Kirche“, 8-9/1977, S. 442. 

[2] Karl-Alexander Hampe, Leiter des Lateinamerika-Referates (300) im AA, in: „Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland“ (AAPD), 1976, Bd. I, München 2007, S. 453. 

[3] Fernschreiben Nr. 505, 7.7.1977, Kastl an AA, in: AAPD, 1977, Band II, München 2008, S. 918. 

[4] Das argentinische Heer versuche die Bedeutung der Panzerlieferung herunterzuspielen, indem es „den Kampfpanzer Tam der Öffentlichkeit mit geringeren Leistungen, weniger PS, weniger Steigfähigkeit usw.“ präsentiere, „als er wirklich habe“, vgl. ebd. 

[5] Aufzeichnung des Staatsministers Moersch, 15.7.976, in: AAPD, 1976, Bd. II, München 2007, S. 1090. 

[6] Ebd., S. 1091. 

[7] Schriftbericht Nr. 457, Kastl an AA, 2.4.1976, in: AAPD, 1976, Bd. I, München 2007, S. 453. 

[8] Josef Oehrlein, Der Ideologe des dreckigen Krieges, www.faz.net, 18.5.2013. 

[9] Vgl. Aufzeichnung des Staatsministers Moersch, a.a.O., S. 1087 ff. 

[10] Jörg Kastl, Terror und Gegenterror in Argentinien. Drahtbericht der Botschaft Buenos Aires vom 26.8.1976, in: „Informationsdienst für die Auslandsvertretungen“, 883/6.9.1976, S. 16. 

[11] Jörg Kastl, Argentinischer Staatsstreich vom 24.3.1976 – Möglichkeiten und Gefahren, Drahtbericht der Botschaft Buenos Aires vom 2.4.1976, in: „Informationsdienst für die Auslandsvertretungen“, 876/9.4.1977, S. 36. 

[12] Jörg Kastl, Argentinische Innenpolitik – Morgen und Übermorgen: Stabilisierung oder rote Gefahr, Auszug aus dem Bericht der Botschaft Buenos Aires vom 19. Juli 1977, in: „Informationsdienst für die Auslandsvertretungen“, Nr. 901, 7.9.1977, S. 15. 

[13] Vgl. Josef Oehrlein, a.a.O. 

[14] Vgl. Philipp Zimmermann, Ex-Diktator Videla ruft zu Putsch in Argentinien auf, www.amerika21.de, 20.3.2013. 

[15] Kastl, Terror und Gegenterror, a.a.O. S. 16. 

[16] Jörg Kastl, Situation der Indianer in Argentinien. Auszug aus dem Bericht der Botschaft Buenos Aires vom 6.12.1976, in: „Informationsdienst für die Auslandsvertretungen“, 894/30.3.1977, S. 20. 

[17] Vgl. Jörg Kastl, Eindrücke von einer Reise in die argentinische Provinz. Auszug aus dem Bericht der Botschaft Buenos Aires vom 3.11.1976, in: „Informationsdienst für die Auslandsvertretungen“, 888/7.12.1976, S. 13. 

[18] Konstantin Thun, Menschenrechte und Außenpolitik. Bundesrepublik Deutschland – Argentinien. Aktualisierte Neuauflage, hg. von der Koalition gegen Straflosigkeit, Bad Honnef 2006, S. 141. 

[19] Vgl. Fernschreiben Nr. 425, 7.6.1977, Deutsche Botschaft/von Vacano an AA, Referat 511, Betr.: Elisabeth Käsemann, Akten der Deutschen Botschaft in Buenos Aires. 

[20] Fernschreiben Nr. 232, 29.3.1977, Kastl an AA, Ref. 511, 513, Akten der Deutschen Botschaft in Buenos Aires. 

[21] Ebenso fahrlässig wie die Deutsche Botschaft in Buenos Aires verhielt sich die Zentrale des Auswärtigen Amtes in Bonn im Umgang mit den deutschen Verschwundenen. Noch im Herbst 1977 kannte der zuständige Referent der Abteilung 5 im Auswärtigen Amt den Grund dafür nicht, warum die Existenz einer Elisabeth Käsemann in Argentinien wochenlang geleugnet werden konnte. Erst aufgrund des zunehmenden öffentlichen Drucks fragte er bei der Botschaft nach, ob „Elisabeth Käsemann jemals bei der Botschaft registriert“ worden sei, etwa „im Zusammenhang mit Passverlängerung“. (Fernschreiben Nr. 235 des AA, Ref. 511/Türk an die Deutsche Botschaft vom 2.9.1977). Nach dem zähen Ringen im März 1977 um den Nachweis darüber, ob eine Elisabeth Käsemann in Argentinien überhaupt existiere, wirkt diese Anfrage geradezu grotesk. 

[22] Vgl. Fernschreiben Nr. 409, 2.6.1977, Deutsche Botschaft an AA, Akten der Deutschen Botschaft in Buenos Aires. 

[23] Fernschreiben Nr. 0137, 3.6.1977, AA, Ref. 511-531e/Türk an Deutsche Botschaft, Akten der Deutschen Botschaft in Buenos Aires. 

[24] Fernschreiben Nr. 425, 7.6.1977, Deutsche Botschaft/von Vacano an AA, Ref. 511, Akten der Deutschen Botschaft in Buenos Aires. 

[25] Fernschreiben Nr. 449, 19.6.1977, Kastl an AA, Ref. 511, Betr.: Elisabeth Käsemann, Akten der Deutschen Botschaft in Buenos Aires. 

[26] Vgl. Fernschreiben Nr. 461, 22.6.1977, Kastl an AA, Ref. 511, Akten der Deutschen Botschaft in Buenos Aires. 

[27] Vgl. Gerichtsmedizinisches Gutachten der Universität Tübingen, 12.6.1977, Akten der Deutschen Botschaft in Buenos Aires. 

[28] Vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 8. Wahlperiode 1977, Drucksachen Bd. 236, Bonn 1977, Drucksache 8/1014, S.7. 

[29] Vgl. ebd. 

[30] Fernschreiben Nr. 380, 24.5.1977, Kastl an AA, Ref. 511, PA AA, B 83, Bd. 2181, 2185. 

[31] Schreiben Genschers an Karsten D. Voigt, MdB, vom 31.8.1977, PA AA, B 83, Bd. 2181, 2185. 

[32] Vgl. Amtsinterne Mitteilung des Ref. 300 des AA an die Abteilung 5 des AA vom 4.7.1977, Betr.: Kabinettssitzung am 6.7.1977, PA AA, Zwischenarchiv, Bd. I, Nr. 107.936. 

[33] Vgl. Offizielle schriftliche Anfrage von Gert Weisskirchen, MdB, an den Staatsminister im Auswärtigen Amt Klaus von Dohnany, 11.8.1977 (Akten des Diakonischen Werkes Stuttgart, Nachlass Werner Lottje). 

[34] Fernschreiben Nr. 468, 23.6.1977, Kastl an AA, Ref. 511, 300, 013, Akten der Deutschen Botschaft in Buenos Aires. 

[35] Vgl. Fernschreiben Nr. 642, 7.9.1977, Kastl an AA, Ref. 511. Juristen des Max-Planck-Institutes erklärten 1977, die „Begründung des AA“ sei „unhaltbar“ (Schreiben Tino Thuns an Werner Lottje vom 29.8.1977, Akten des Diakonischen Werkes Stuttgart, Nachlass Werner Lottje). 

[36] Vgl. Wolfgang Kaleck, Kampf gegen die Straflosigkeit. Argentiniens Militärs vor Gericht, Berlin 2010, S. 20. 

[37] Vgl. Thun, Menschenrechte, a.a.O., S. 145 f. 

[38] Vgl. AAPD, 1977, Bd. II, München 2008, S. 874 f. 

[39] Vgl. Jörg Kastl in: „Todesursache Schweigen“, Film von Arte/WDR, 2003, zit. nach Konstantin Thun, Ergänzungen zum Fall des Klaus Zieschank, in: Thun, Menschenrechte, S. 23. 

[40] Vgl. Thun, Menschenrechte, a.a.O., S. 153. 

[41] Vgl. AAPD, 1977, Bd. II, München 2008, S. 875. 

[42] Fernschreiben Nr. 174, 21.9.1977, Kastl an AA, Antwortschreiben des argentinischen Außenministers vom 21.9.1977 auf Schreiben Genschers, 22.8.1977, Akten der Deutschen Botschaft in Buenos Aires. 

[43] Vgl. Esteban Cuya: Die offenkundige Sympathie der deutschen Diplomaten für die argentinische Militärdiktatur 1976-1983, in: Thun, Menschenrechte, S. 29f.; Vermerk Ref. 511-531/Türk, 30.6.1977, Betr.: Fall Käsemann, Akten der Deutschen Botschaft in Buenos Aires. 

[44] Vgl. Cuya, S. 30 f. 

[45] Vgl. Cuya, S. 33. 

[46] Vgl. Thomas M. Scheerer, Nachwort für deutsche Leser, in: Nie wieder! Ein Bericht über Entführung, Folter und Mord durch die Militärdiktatur in Argentinien, hg. vom HIS, Weinheim/Basel 1987, S. 258. 

[47] Vgl. etwa Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 8. Wahlperiode, Stenographische Berichte Bd. 101, Plenarprotokolle 8/20-8/33, Bonn 1977, S. 1386 f., 2482 f. 

[48] Vgl. Drahtbericht Nr. 597, Arens/Referat 330, 15.8.1977, in: AAPD, 1977, Band II, München 2008, S. 1092. 

[49] Nicht nur unter Diplomaten des Auswärtigen Amtes, sondern auch in der EKD gab es zum Teil politische Vorbehalte, vgl. Vermerk der Abteilung 5, Referat 511-531E, Betr.: Fall Käsemann vom 29.8.1977, PA AA, B 83, Bd. 2181, 2185. 

[50] Schreiben der Abteilung 300, 8.8.1977, Betr.: Auswirkungen der Informationspolitik im Fall Käsemann auf die Lateinamerika-Politik der Bundesregierung, Zweck der Vorlage: Unterrichtung für Direktoren-Besprechung zur Entscheidung zu Nr. 4, PA AA, Zwischenarchiv, Bd. II, Nr. 107.937. 

[51] Schreiben der Abteilung 3, 300-322.00 ARG, 1.8.1977, Ref.: VLR I Dr. Hampe, Betr.: Gewalttätigkeit in Argentinien und ihre Auswirkungen auf das deutsch-argentinische Verhältnis, Akten der Deutschen Botschaft in Buenos Aires. 

[52] Hier und die beiden folgenden Zitate: Entwurf für eine Interabteilungssitzung 25.8.1977 mit Vertretern der Referate 511, 013, 300, 22.8.1977, Betr. Käsemann, PA AA, Zwischenarchiv, Bd. II, 107.937. 

[53] Hier und das folgende Zitat: Schreiben der Abteilung 3, 300 – 322.00 Arg., 11.10.1977, Betr.: Deutsch-argentinische Beziehungen: Analyse und Perspektive, PA AA, Zwischenarchiv, Bd. II, Nr. 107.937. 

[54] Vermerk von LR I von Schlick, 8.11.1977, Buenos Aires, Betr.: Briefwechsel auf Ministerebene über Käsemann und deutsche Verschwundene, Akten der Deutschen Botschaft in Buenos Aires. 

[55] Vgl. Thun, Menschenrechte, S. 157, 167. 

[56] Vgl. Kuno Hauck, Die Koalition gegen Straflosigkeit, in: Thun, Menschenrechte, S. 13. 

[57] Antwort der Staatsministerin Hildegard Hamm-Brücher vom 7.9.1977 auf die Frage des Abgeordneten Weißkirchen (SPD), in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 8. Wahlperiode 1977, Drucksachen Bd. 236, Bonn 1977, Drucksache 8/1014, S. 7. 

[58] Vgl. Daniel Brössler, Mein Freund der Diktator, in: „Süddeutsche Zeitung“ (SZ),10.5.2013, S. 6 und Stefan Braun, Leises Unverständnis und viele Fragezeichen, in: SZ, 22.5.2013, S. 5. 

[59] Zit. nach Frieder Wagner, Das unglaubliche Versagen der Deutschen Botschaft und des Auswärtigen Amtes in Argentinien während der Militärdiktatur von 1976-83, in: Dass du zwei Tage schweigst unter der Folter! Elisabeth Käsemann, Klaus Zieschank, die Diktatur in Argentinien und die Leichen im Keller des Auswärtigen Amtes (Bibliothek des Widerstands, Bd. 8), Hamburg 2010, S. 76.

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