Margot Käßmann: Mehr als Ja und Amen: Warum das Kirchenasyl Flüchtlinge rettet

Margot Käßmann: Warum das Kirchenasyl Flüchtlinge rettet

Margot Käßmann

Foto: Niels Starnick

Eine junge Frau aus dem Iran konvertiert in Deutschland zum Christentum. Religionsfreiheit ist ein fundamentales Recht in unserem Land – im Iran stehen auf die Abkehr vom Islam drastische Strafen.

Trotzdem soll sie abgeschoben werden nach Italien, da ist sie schließlich zuerst angekommen in Europa. Die deutsche Kirchengemeinde, in der sie getauft wurde, in der sie Freunde gefunden und auch ein Arbeitsangebot erhalten hat, nimmt sie auf, will sie vor Abschiebung schützen. Eine junge syrische Familie hat zu Hause alles verloren, aber sie soll zurück nach Bulgarien, dort ist sie schließlich angekommen in Europa, so will es das sogenannte „Dublin III Abkommen“.

In Bulgarien aber erleben Flüchtlinge Gefängnis, teils mit systematischem Nahrungs- und Flüssigkeitsentzug. Kirchengemeinden nehmen solche Menschen auf, weil sie es unwürdig finden, bedrohte Flüchtlinge jahrelang in Europa herumzuschicken. „Kirchenasyl“ wird das genannt.

Stopp, sagt jetzt Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Er lehne das auch als Christ fundamental und prinzipiell ab.

Aber warum eigentlich? Es gibt sehr gute Erfahrungen mit dem sogenannten Kirchenasyl. Seit über dreißig Jahren schon haben die Kirchen dafür intern Regeln aufgestellt.

Beispielsweise: Es kann nur um „Fälle“ gehen, in denen die Bitte um Asyl berechtigt zu sein scheint. Und siehe da: In 90 Prozent der Fälle zeigt sich, dass die Zeit, die das Kirchenasyl gibt, tatsächlich Zeit zur Prüfung bringt und dass am Ende ein gesicherter Aufenthaltsstatus steht.

Stopp, sagt der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung. Es könne doch „kein gesondertes Kirchenrecht“ geben.

Nein, das fordern die Kirchen auch nicht. Die Praxis war stets, alle zuständigen Behörden zu informieren. Jetzt aber soll ein Kirchenasyl als „Untertauchen“ gewertet werden.

Es wären dann nicht mehr sechs Monate, die ein Mensch in unserem Land gelebt haben muss, um ein faires Verfahren hier zu erhalten, sondern mindestens 18 Monate – wenn überhaupt. Aber es geht nicht um Untertauchen, sondern darum, ein Verfahren für Härtefälle zu ermöglichen. In der Regel gelingt das auch, die Erfahrungen sind sehr gut.

Warum empören sich Politiker über das Kirchenasyl?

Es handelt sich um sehr engagierte Gemeinden, die umsetzen wollen, was unsere Verfassung garantiert: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie sehen heute diese Würde angetastet.

Ich bin stolz auf diese Menschen, ob katholisch oder evangelisch, ob kirchlich gebunden oder schlicht menschlich engagiert, die „das Flüchtlingsproblem“ nicht mehr akzeptieren, sondern die einzelnen Menschen sehen mit ihren Namen und Geschichten. Die zuhören, sich berühren lassen und sich einsetzen für die Rechte anderer. Und die sehen, dass wir in Deutschland solche Menschen gut aufnehmen könnten, brauchen wir doch Nachwuchs und Fachkräfte.

Wie heißt es in der Bibel: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen“ (Matthäus 25,35). Das sagt wohlgemerkt Jesus über sich selbst . . .

Bleiben Sie behütet.

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