De Maizières Kritik

CDU-Stiftung verteidigt Kirchenasyl gegen Minister

Von Karsten Kammholz, Manuel Bewarder
Veröffentlicht am 24.02.2015Lesedauer: 4 Minuten
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat das Kirchenasyl scharf kritisiert – das kommt bei der seiner Partei nahestehenden Konrad-Adenauer-Stiftung schlecht an
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat das Kirchenasyl scharf kritisiert – das kommt bei der seiner Partei nahestehenden Konrad-Adenauer-Stiftung schlecht anQuelle: dpa

Die parteinahe Konrad-Adenauer-Stiftung hat beim Kirchenasyl kein Verständnis für die Fundamentalkritik von Innenminister de Maizière. Das Thema eigne sich nicht zur „politischen Auseinandersetzung“.

Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) distanziert sich von der scharfen Kritik von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Kirchenasyl. In einem der „Welt“ vorliegenden Positionspapier der KAS mit dem Titel „Kirchenasyl – Rechtsbruch oder Akt der Barmherzigkeit?“ heißt es: „Das Kirchenasyl als Akt christlicher Barmherzigkeit eignet sich nicht als Medium der politischen Auseinandersetzung.“

Beim Kirchenasyl nehmen Gemeinden oder Ordensgemeinschaften von Abschiebung bedrohte Asylbewerber auf. Schätzungen zufolge können nach weiteren Prüfungen zwischen 80 und 90 Prozent derjenigen, die im Kirchenasyl waren, langfristig schließlich doch in Deutschland bleiben. Einer aktuellen Erhebung der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (BAG) zufolge gibt es derzeit deutschlandweit 226 Kirchenasyle mit mindestens 411 Menschen. Im Januar 2014 waren es lediglich 34 derartige Asyle.

Der Bundesinnenminister hatte aufgrund der stark steigenden Zahl von Kirchenasylen erklärt, er sei „prinzipiell und fundamental“ gegen das Instrument. Verständnis zeigte er jedoch für Einzelfälle. Besonders umstritten war sein Vergleich, wonach auch die Scharia als „eine Art Gesetz der Muslime“ nicht über deutschen Gesetzen stehen dürfe.

Bei einer Zahl von maximal 500 Personen angesichts der Gesamtzahl von über 200.000 Asylbewerbern im Jahr 2014 immer noch eine relativ gesehen geringe Zahl

Konrad-Adenauer-Stiftung,über die Zahl der Kirchenasyl-Fälle

Das Papier der Stiftung befasst sich ausführlich mit den Äußerungen des Ministers zum Kirchenasyl und resümiert: „Auch wenn es mehr als die von ihm genannten fünf oder sechs sind, so ist das doch bei einer Zahl von maximal 500 Personen angesichts der Gesamtzahl von über 200.000 Asylbewerbern im Jahr 2014 immer noch eine relativ gesehen geringe Zahl.“ Die Fälle forderten vielmehr dazu auf, „Missstände abzustellen“.

Ein „Ausdruck christlicher Barmherzigkeit“

Die Stiftung hält in ihrem Papier ebenso fest, dass die Kritik am Kirchenasyl in den wenigsten Fällen voll berechtigt sei. Konkret heißt es: „Die Kritik des Bundesinnenministers an einem leichtfertigen Umgang mit dem Kirchenasyl trifft für alle jene Fälle zu, die glauben, ihre eigene moralische Auffassung höher stellen zu können als die richterlichen Entscheidungen. Das trifft auf den (kleinen) Teil der Aktivisten zu, die mit ihren Provokationen weniger Flüchtlinge selbst meinen als ein politisches Ziel verfolgen.“

Die „überwiegende“ Mehrheit der Unterstützer riskiere den Konflikt jedoch, um im Einzelfall eine Änderung herbeizuführen. Diese versuchten auf der Grundlage von zusätzlichen Informationen einen Aufschub staatlicher Abschiebungsmaßnahmen zu erreichen. „Viele führende Repräsentanten der Kirchen haben die Flüchtlingsarbeit und das Einstehen für Asylanten als Ausdruck christlicher Barmherzigkeit betont. Die Berechtigung mancher Kritik aufgrund der Erfahrung wurde auch von der Politik aufgenommen, etwa dass Rückschiebungen nach Griechenland nicht zulässig sind aufgrund von ‚systemischen Schwachstellen‘.“

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Quelle: Infografik Die Welt

Beschwichtigend wird hinzugefügt: „Es gilt daher die jeweils eigene Wahrheit der beiden unterschiedlichen Perspektiven auf die Flüchtlingsproblematik wahrzunehmen und soviel wie möglich dazu beizutragen, die ‚unbefriedigende’ Situation der Flüchtlinge (Angela Merkel) zu ändern.“ So sei auch die Einschränkung von Bundesminister de Maizière zu verstehen, dass er als Christ Verständnis habe, wenn Christen unter dem Gesichtspunkt des Erbarmens Flüchtlinge schützten, er aber als Verfassungsminister genau dieses nicht dulden könne.

KAS zeigt Verständnis für Abschiebestopps

Die Kirchen wollen am Kirchenasyl ungeachtet der Kritik festhalten. Zu Beginn der Frühjahrsvollversammlung der katholischen Bischöfe in Hildesheim verteidigte Kardinal Reinhard Marx die gängige Praxis. Das Kirchenasyl sei eine „Tradition, die sich in den letzten Jahren gut entwickelt hat“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz in Hildesheim. Zugleich betonte er, es bestehe kein Rechtsanspruch auf das Kirchenasyl. Die katholische Kirche wolle nicht als Staat im Staat den Rechtsstaat aushebeln. Vielmehr gehe es darum, die Einzelfälle in den Blick zu nehmen.

An diesem Dienstag treffen Vertreter der Kirchen sowie der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, zu einem Krisengespräch. Im Gespräch mit der „Welt“ äußerte Schmidt sich kritisch zu den gestiegenen Kirchenasylen. Die Behörden hätten an dieser Stelle „jahrelang gut mit den Kirchen zusammengearbeitet“, sagte Schmidt. „Das muss nun wieder gelingen.“ Früher sei es beim Kirchenasyl „um wenige Einzelfälle“ gegangen, bei denen eine Abschiebung verhindert werden sollte. „Heute beobachten wir, dass das Kirchenasyl vermehrt solchen Menschen gewährt wird, für deren Verfahren eigentlich andere EU-Staaten zuständig sind.“

Schmidt sagte, er habe den Eindruck, „dass die Kirchen das Kirchenasyl immer häufiger als Systemkritik am europäischen Dublin-System der Zuständigkeitsverteilung nutzen.“ Nach dem sogenannten Dublin-Verfahren ist das EU-Land für einen Asylbewerber zuständig, das dieser nachweislich zuerst betreten hat. Schmidt sagte dazu, heute könne sich „kein Land mehr aus der Verantwortung stehlen“.

Im Papier der KAS zeigen die Autoren jedoch Verständnis für Abschiebestopps in andere EU-Länder: „Eine Rücküberstellung kann im Einzelfall wegen der unterschiedlichen Anerkennungspraxis sowie der teilweise problematischen Lebens- und Versorgungschancen in den verschiedenen Mitgliedsländern dramatische Folgen haben.“

Mit AFP/epd

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