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Finanzen

Chancen für eine Finanztransaktionsteuer steigen

Abgabe soll Spekulationen an Börsen eindämmen. Forschungsinstitut erwartet 44 Milliarden Einnahmen für den Fiskus

Elf Staaten der Europäischen Union arbeiten an einer einheitlichen Finanztransaktionsteuer. Nach jahrelangen Querelen untereinander geht es inzwischen voran. Etwa 44 Milliarden Euro könnte Deutschland aus der Steuer einnehmen, geht aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hervor.

Die Einführung der heftig umstrittenen europäischen Finanztransaktionsteuer, die im Grundsatz vor drei Jahren von Deutschland und zehn weiteren EU-Ländern beschlossen wurde, ist realistisch, sagt Stephan Schulmeister vom Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. Mit dabei sind neben Deutschland Italien, Belgien, Österreich, Spanien, Estland, Griechenland, Portugal, die Slowakei, Slowenien und Frankreich.

„Noch 2014 sah es so aus, als würde Frankreich abspringen oder eine abgespeckte Version der Steuer durchdrücken“, erläutert Schulmeister. „Jetzt sind die Franzosen aber wieder bereit, die Steuer auch auf Derivate zu erheben.“

Gerade diese Termin-, Tausch- und Optionsgeschäfte würden über Hochgeschwindigkeitscomputer rasend schnell hin- und herverkauft, sagt Schulmeister. Diesen spekulativen Handel soll die Steuer bremsen, um Auswüchsen vorzubeugen: Wer häufig handelt, spürt dann doch die Steuer, die auf jeden Kauf anfällt. Wer langfristig anlegt, zahlt sie selten und merkt sie kaum – so die Idee. „Derivate auszunehmen, nimmt der Steuer ihren Sinn.“

Mittlerweile kommen die Verhandlungen zwischen den steuerwilligen Staaten voran: „Sie laufen transparenter und strukturierter ab als je zuvor“, sagt Schulmeister. Österreich ist federführend in der Arbeitsgruppe, die Finanztransaktionsteuer ist hier seit Langem politischer Konsens. Mit zwei großen Ländern wie Frankreich und Deutschland im Boot kann auch eine Elf-Länder-Steuer breit wirken, glaubt Schulmeister: „Funktioniert sie, werden sich noch mehr Länder anschließen.“

Kommt sie wie geplant, könnte das den beteiligten Ländern viel Geld einbringen, zeigt ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) für die SPD-Bundestagsfraktion. Allein Deutschland könne jährlich bis zu 44 Milliarden Euro erwarten, heißt es in der Studie. Für Frankreich kommt sie auf bis zu 36 Milliarden Euro, ein kleines Land wie Österreich könnte 1,5 Milliarden Euro durch die Finanztransaktionsteuer einnehmen. Im Idealfall. Das Szenario sieht zurzeit so aus: 0,1 Prozent Steuer soll auf den Handel mit Aktien erhoben werden, 0,01 Prozent auf den Handel mit Derivaten. Nicht besteuert würden Bankgeschäfte des Alltags wie Überweisungen vom Girokonto.

Andere Szenarien kämen zu ganz anderen Ergebnissen, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnet. Würden Derivate von der Steuer ausgenommen, wären die möglichen Einnahmen für den Fiskus um 90 Prozent niedriger. „Es hängt noch sehr viel davon ab, wie die Steuer ausgestaltet wird“, sagt Finanzmarktökonomin Dorothea Schäfer vom DIW.

Dabei geht es nicht nur darum, welche Finanzprodukte von der Steuer betroffen sein werden. Sondern auch, ob die Finanzindustrie mit einer Steuer auf Transaktionen nicht einfach auf steuerfreie Handelsplätze ausweicht – das Hauptargument vieler Kritiker. „Das verhindert das geplante Ansässigkeitsprinzip“, entgegnet ihnen Schäfer. Damit entscheidet nicht der Handelsort über eine Steuerpflicht, sondern der Sitz der Händler. „Das muss natürlich dann auch so gestaltet werden, dass damit der Sitz des Mutterkonzerns gemeint ist“, sagt die Autorin der Studie. „Sonst kann sich der Handel wirklich einfach geografisch verlagern.“

Dieses Risiko besteht nach Meinung des schwedischen Ökonomen Magnus Wiberg, „solange es keine globale Transaktionsteuer gibt“. Das zeige die Erfahrung in Schweden, das eine solche Abgabe 1992 wieder abgeschafft habe. „Es wurde nur einen Bruchteil der erwarteten Steuer eingenommen“, sagt der ehemalige Zentralbanker. Der Handel sei in einigen Bereichen zum Erliegen gekommen. „Gleichzeitig sind an den Kapitalmärkten steuerfreie Papiere entstanden, die prinzipiell das Gleiche am Markt machten wie die alten Konstrukte.“

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