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Nach deutlichem Anstieg bis 2005: Einkommensungleichheit seitdem nahezu unverändert

Pressemitteilung vom 17. Juni 2015

DIW-Forscher mahnen: Erwerbstätigkeit schützt nicht immer vor Armut – 11,5 Millionen Menschen sind von Armut bedroht – in Ostdeutschland lebt jeder Fünfte unterhalb der Armutsrisikoschwelle

Die realen verfügbaren Haushaltseinkommen in Deutschland sind von 2000 bis 2012 um durchschnittlich fünf Prozent gestiegen. Gleichzeitig ist die Kluft zwischen Arm und Reich im vergangenen Jahrzehnt gewachsen, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt. Denn die Einkommenszuwächse verteilen sich sehr ungleich zwischen den verschiedenen Einkommensgruppen: Während die Einkommen der oberen zehn Prozent zwischen 2000 und 2012 um mehr als 15 Prozent gestiegen sind, blieben sie in den mittleren Einkommensgruppen fast unverändert. Die unteren 40 Prozent haben real sogar bis zu vier Prozent weniger als noch zur Jahrtausendwende. Bis 2005 ist die Ungleichheit der verfügbaren Haushaltseinkommen der DIW-Studie zufolge deutlich angestiegen, seitdem liegt sie auf diesem Niveau.

Definitionen

Als einkommensarm bzw. von Armut bedroht gilt, wer weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens hat (im Jahr 2012 netto 949 Euro pro Monat für einen Einpersonenhaushalt), wobei der Median die Verteilung in die untere und obere Hälfte teilt. Lesen Sie dazu mehr im DIW-Glossar.

Das verfügbare Einkommen setzt sich hauptsächlich aus dem Markteinkommen (Erwerbseinkommen plus Kapitaleinkommen), Renten und Pensionen sowie staatlichen Transferleistungen abzüglich Steuern und Sozialbeiträgen zusammen.

Neben der Einkommensverteilung haben die DIW-Ökonomen Jan Göbel, Markus Grabka und Carsten Schröder auch untersucht, wie sich das Armutsrisiko in Deutschland entwickelt hat. Zwar gilt der Grundsatz ‚Je höher die Erwerbsbeteiligung, desto geringer das Armutsrisiko‘ weiterhin, aber: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass inzwischen auch mehr Erwerbstätige von Armut bedroht sind“, sagt Markus Grabka. Dies gilt vor allem für Berufseinsteiger im Alter von 25 bis 35 Jahren, von denen fast jeder Fünfte weniger als 949 Euro pro Monat zur Verfügung hat. Für Alleinlebende ist die Armutsrisikoquote in dieser Altersgruppe sogar von circa 27 Prozent (2000) auf etwa 39 Prozent (2012) gestiegen. „Ein Grund dafür liegt in den zu Beginn des Erwerbslebens oft niedrigen Arbeitseinkommen, insbesondere bei atypischen Beschäftigungsverhältnissen“, erklärt Carsten Schröder das Phänomen.

Armutsrisiko hat seit der Jahrtausendwende signifikant zugenommen

In Ostdeutschland sind nach den DIW-Berechnungen auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) 20 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht – und das, obwohl die Arbeitslosigkeit im selben Zeitraum deutlich zurückgegangen ist. Das höchste Armutsrisiko in Deutschland haben indes die 18- bis 25-Jährigen. Ihr Risiko lag im Jahr 2012 mit rund 21 Prozent weit über dem Durchschnitt von etwa 14 Prozent (mehr als elf Millionen Personen) der Gesamtbevölkerung. „Mehr als die Hälfte dieser Personengruppe absolviert allerdings eine Ausbildung oder ein Studium. Die meisten leben in dieser Zeit unterhalb der einkommensbezogenen Armutsrisikoschwelle“, erläutern die Studienautoren. „Dies zahlt sich jedoch später aus. Je höher der Bildungsgrad, desto geringer ist typischerweise im weiteren Lebensverlauf das Armutsrisiko.“

Ungleichheit der Markteinkommen seit 2010 nicht weiter gestiegen

Genau wie die realen Haushaltseinkommen sind auch die durchschnittlichen realen Markteinkommen im Zeitverlauf gestiegen und lagen im Jahr 2012 sieben bis acht Prozent über dem Wert von 2000. Betrachtet man allerdings die Medianeinkommen, ergibt sich ein anderes Bild. Das mittlere Haushaltseinkommen, das die Einkommensverteilung in die untere und obere Hälfte teilt, ist zwar ebenfalls gestiegen, der Anstieg fiel mit rund zwei Prozent allerdings deutlich geringer aus als bei den durchschnittlichen Haushaltseinkommen. Das Medianmarkteinkommen hat sich bis 2005 sogar rückläufig entwickelt und erholt sich seitdem nur langsam. Dies ist den DIW-Forschern zufolge ein weiterer Beleg dafür, dass nicht alle Einkommensgruppen von der positiven Einkommensentwicklung profitiert haben.

Links

Interview mit Markus M. Grabka (Print (PDF, 103.57 KB) und
O-Ton von Markus M. Grabka
Einkommensungleichheit verharrt auf hohem Niveau - Acht Fragen an Markus Grabka
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