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Lauterbach will Kompromiss bei Demenz-Studien



Führende Gesundheitspolitiker von Union und SPD wollen bis zur Sommerpause einen Weg finden, Arzneitests an Demenzkranken in engem Rahmen zuzulassen. SPD-Fraktionsvize Lauterbach wirbt in den eigenen Reihen und bei der Union für einen Kompromiss.

Die Spitzen-Gesundheitspolitiker der großen Koalition versuchen einen Kompromiss zu finden im Streit um Medikamententests an Demenzkranken. Am 15. Juni wandte sich der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach in einem Brief an seine SPD-Fraktionskollegen. Darin schlägt er vor, die grundsätzliche Einwilligung zur Teilnahme an klinischen Studien nicht in einer Patientenverfügung zu verankern und eine ärztliche Beratung vorzuschreiben.

Ein Arzt müsse den künftigen Studienteilnehmer darüber aufklären, was der Unterschied sei zwischen einer Forschung, die der Allgemeinheit diene und dem Ausprobieren neuer Behandlungsmethoden oder Medikamente zu seinem eigenen Nutzen, sagte Lauterbach.

Er wolle auch bei der Union dafür werben in der Hoffnung, einen gemeinsamen Antrag erarbeiten zu können, über den der Bundestag Anfang Juli abstimmen solle. Der SPD-Gesundheitsexperte liegt damit auf einer Linie mit Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), der zuletzt ebenfalls vorgeschlagen hatte, eine verpflichtende ärztliche Beratung vorzuschreiben.

Lauterbach will das Thema außerdem von der Patientenverfügung trennen. Ein Grund dürfte sein, dass ein Teil seiner eigenen Fraktionskollegen es ablehnt, die Verfügung an eine ärztliche Beratung zu koppeln, nur weil sie auch die Einwilligung in künftige Studien enthalten kann. Zur Begründung erklärte er, die Patientenverfügung dürfe nicht überfrachtet werden. Sie habe in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz, die nicht gefährdet werden dürfe. Eine Vorab-Einwilligung in die Teilnahme an Studien sei besser vorstellbar als Ergänzung zu einer Vorsorgevollmacht oder einer Betreuungsverfügung.

Der Gesetzentwurf sollte vergangene Woche verabschiedet werden. Wegen der Auseinandersetzungen in den Koalitionsfraktionen war er aber von der Tagesordnung genommen worden. Lauterbach sagte, es gebe in beiden Koalitionsfraktionen massive Widerstände gegen diese Art von Forschung. Er selbst sei aber überzeugt, dass man klinische Studien in sehr engem Rahmen brauche, um Demenz erforschen und behandeln zu können.

Die Regelungen, die Teil eines Arzneimittel-Gesetzes sind, sehen vor, dass Demenzkranke auch dann an Studien beteiligt werden können, wenn sie nicht mehr in der Lage sind zuzustimmen und selbst keinen Nutzen von den Tests haben. Voraussetzung soll sein, dass sie dies vorab in gesundem Zustand in einer Patientenverfügung ermöglicht haben. Entscheiden soll dann ihr rechtlicher Betreuer. Bisher sind klinische Studien mit nicht einwilligungsfähigen Menschen nur dann erlaubt, wenn die Probanden selbst einen Nutzen davon haben.

Gesundheitsminister Gröhe hatte ebenfalls eine verpflichtende ärztliche Beratung vorgeschlagen, um den Gegnern in der eigenen Fraktion entgegenzukommen. Gröhe muss eine EU-Rechtsverordnung umsetzen, die gruppennützige Studien an Demenzpatienten erlaubt, wenn ein Angehöriger zustimmt und die Studie von einer nationalen Ethik-Komission genehmigt ist.

Die Grünen fordern in einem eigenen Antrag, dass die Gesetzeslage unverändert bleiben soll. Nach ihrer Ansicht lässt die EU-Verordnung nationale Verbote für die Teilnahme nicht einwilligungsfähiger Patienten an gruppennützigen klinischen Studien zu. Die Fraktion will eine namentliche Abstimmung beantragen und kann nach jetzigen Stand auch mit Zustimmung aus den anderen Fraktionen rechnen.

Gegen die Gesetzespläne protestieren seit Wochen die beiden großen Kirchen sowie Behinderten- und Sozialverbände. Unterstützung erhält Gröhe von Bundesforschungsministerin Johanna Wanka und dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (beide CDU).


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