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Das Wartburgfest 1817

„Da in diesem Jahr das Reformationsjubiläum gefeiert wird, so wünschen wir gewiß mit allen braven deutschen Burschen [...] dieses Fest am 18ten October 1817 u zwar auf der Wartburg bey Eisenach zu feiern; weil [...] wir endlich das Fest in 3 schönen Beziehungen, nämlich der Reformation, des Sieges bey Leipzig u der ersten freundschaftlichen u freudigen Versammlung deutscher Burschen von den meisten Vaterländischen Hochschulen [...] begehen können." Mit diesen Worten lud die Jenaer Burschenschaft am 11. August 1817 zum so genannten Wartburgfest ein, an dem rund zwei Monate später mehr als 500 Studenten aus mindestens elf Universitäten teilnahmen.

Ihrer eigenen Wahrnehmung nach empfanden sich die in Burschenschaften organisierten Studenten als Avantgarde der freiheitlichen Nationalbewegung, und sie erhielten nicht wenig Zuspruch und Unterstützung in ihrer Professorenschaft. Die als besonders radikal geltenden Burschenschaftler aus Jena konnten sich einer weitgehenden politischen Bewegungsfreiheit und Tolerierung durch ihren unkonventionellen Landesfürsten, Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1757-1828), erfreuen. Als sie ihn höflich um Erlaubnis für das Fest auf der Wartburg baten, waren Carl August und seine Berater weitsichtig genug zu erkennen, dass ein Verbot ein unkalkulierbares Konfliktpotential heraufbeschwören könnte.

Datum und Ort des Festes waren von den Jenaer Initiatoren sorgfältig ausgewählt worden. Zum vierten Mal jährte sich am 18. Oktober 1817 der wegweisende Sieg der Alliierten über Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig, und 1817 war der 300. Jahrestag des Thesenanschlages von Martin Luther und damit der Beginn der von ihm auf den Weg gebrachten Reformation. Die Wartburg, auf der Luther 1521 Zuflucht gefunden hatte, war eines der wirkmächtigsten Symbole des Protestantismus – und von hier aus sollte nun der Protest der Versammelten gegen Kleinstaaterei und restaurative Politik laut wahrnehmbar in allen deutschen Staaten erschallen. Die Festteilnehmer lehnten ab, was nicht in ihre deutschnationale Vorstellungswelt passte – und was dort keinen Platz fand, war in ihren Augen nicht wert, der Nachwelt überliefert zu werden.

Die Verbrennung von Büchern sowie eines Zopfes, eines Uniformrocks und eines Korporalstocks als Sinnbilder des „Alten“ und der „Reaktion“ mag für die meisten Anwesenden eine spaßhafte symbolische Abrechnung mit der bestehenden politischen Ordnung gewesen sein. Deren Repräsentanten sahen in der Feier jedoch die Brandfackel des Ungehorsams, die schnell die Lunte des Aufruhrs entzünden konnte. Die konservativen Mächte intensivierten deshalb in der Folgezeit ihre Spitzeltätigkeit innerhalb der Universitäten. Als der Schriftsteller August von Kotzebue (1761-1819), dessen „Geschichte des Deutschen Reiches“ auf der Wartburg ein Opfer der Flammen geworden war, von einem Studenten ermordet wurde, war augenscheinlich, dass burschenschaftlicher Aktionismus die Ebene des Symbolischen verlassen hatte. In den „Karlsbader Beschlüssen“ einigten sich führende Politiker 1819 deshalb auf ein rigoroseres Vorgehen gegen die in ihren Augen staatsgefährdenden Burschenschaften.

Arnulf Scriba
10. Oktober 2014

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