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Wie die Diakonie ihre Glaubwürdigkeit wahren will




Oberste Entscheider: Die Diakonische Konferenz tagte 2010 in Karlsruhe.
epd-bild/Gustavo Alabiso
Ihre Glaubwürdigkeit ist vermutlich das wertvollste Kapital der Diakonie. Beschädigt wird sie durch Mitgliedsunternehmen mit zweifelhaften Finanzpraktiken wie der Fall des Berliner Diakoniewerkes Bethel zeigt. Mit harten Sanktionen kann sich die evangelische Wohlfahrt vor einem Imageverlust schützen.

Die evangelische Wohlfahrt, die tätige Nächstenliebe leben will, kann nur dann private Spenden für ihre vielfältigen gemeinnützigen Tätigkeiten erwarten, wenn ihre Integrität außer Frage steht. Und genau die ist im Fall des Berliner Diakoniewerkes Bethel bereits schwer beschädigt. Jetzt bereitet der Landesverband der Diakonie den Rauswurf des umstrittenen Mitgliedes vor. Eine Entscheidung darüber soll im November fallen.

Jahresgehalt von mehr als 700.000 Euro

Der Vorstandsvorsitzende des Diakoniewerkes, Karl Behle, soll Medienrecherchen zufolge durch Satzungsänderungen vor einigen Jahren die Kontrolle über den Träger übernommen haben. Sein Jahresgehalt soll mehr als 700.000 Euro betragen, außerdem soll er sich unter anderem Pensionsansprüche in Millionenhöhe gesichert haben.

Ein Ausschluss aus dem Diakonieverband ist rechtlich möglich, wenn ein Mitglied gegen die Satzung der evangelischen Wohlfahrtspflege verstößt. Genau dies prüft nun der Berliner Landesverband. Auf Anfragen des Verbandes nach einem angeblich fragwürdigen Umgang mit Unternehmensgeldern hat das Diakoniewerk Bethel bis heute nicht geantwortet. Nach den Satzungen haben die Mitgliedsunternehmen jedoch Auskunftspflichten.

Die diakonischen Unternehmen akzeptieren bei der Aufnahme in den Verband die Satzungspflichten. Dazu gehört auch, dass sie Pläne zu wesentlichen rechtlichen Veränderungen in ihrem Unternehmen dem Verband frühzeitig mitteilen.

Einrichtungen müssen kirchlich geprägt sein

Darüber hinaus gehen die Mitgliedsunternehmen in den Satzungen die Verpflichtung ein, Teil der Kirche zu sein. Das Management stellt sicher, dass die Einrichtung kirchlich geprägt ist. Dazu gehört im Wesentlichen: Die Führungskräfte der Einrichtungen sind Kirchenmitglieder, die Einrichtungen machen ihren Beschäftigten geistliche Angebote, und sie wenden das kirchliche Arbeitsrecht an.

Außerdem müssen die evangelischen Sozialunternehmen gemeinnützig wirtschaften. Jahresgewinne werden nicht an die Gesellschafter ausgezahlt, sondern verbleiben im Unternehmen. Vorstandsmitglieder erhalten deshalb nach den Regelungen des Gemeinnützigkeitsrechts "keine unverhältnismäßig hohen Vergütungen" - allerdings legt die Abgabenordnung dabei keine exakte Maximalhöhe der Bezüge fest.

Die Diakonie Baden verpflichtet ihre Mitgliedsunternehmen sogar dazu, "ihre Jahresberichte vorzulegen". Der Verband fordert genauen Einblick in die Geschäftsbücher der rechtlich selbstständigen Einrichtungen. Laut verbindlicher Vereinssatzung "haben die Mitglieder den Nachweis geordneter Wirtschafts- und Rechnungsführung zu erbringen". In den diakonischen Landesverbänden gehen die Meinungen darüber auseinander, ob diese Regelungen als besonders fortschrittlich oder als besonders gängelnd zu bewerten sind.

Abweichungen vom Arbeitsrecht

Zu den häufigsten Satzungsverstößen gehören nicht-genehmigte Abweichungen vom kirchlichen Arbeitsrecht und vom Kirchentarif, um Arbeitskosten zu sparen. Auch wenn sie von den Führungskräften des Unternehmens nicht gemeldet werden, bleiben sie dem Diakonieverband meistens nicht lange verborgen: Hinweise kommen oft von den Mitarbeitervertretungen, aber auch von Konkurrenzunternehmen, die nicht bereit sind, Wettbewerbsnachteile durch unerlaubtes Lohndumping hinzunehmen.

In Fällen, in denen die Einrichtung glaubhaft darlegt, dass sie sich eine Entlohnung nach dem Kirchentarif nicht mehr leisten kann und deshalb ihr wirtschaftliches Aus droht, bemühen sich Diakonie und Kirche um Lösungen. So sind in wirtschaftlichen Notsituationen Vereinbarungen zu zeitlich begrenzten Abweichungen vom Kirchentarif möglich; in anderen Fällen greift die Kirche unmittelbar mit finanzieller Unterstützung ein.

Sanktionskatalog verschärft

Die Unternehmen erwerben mit ihrer Mitgliedschaft in den Landesverbänden Rechte: Sie dürfen in ihrem Namen das Wort "Diakonie" führen. Sie dürfen sich in ihrem Firmenlogo mit dem Symbol der Diakonie, dem Kronenkreuz, schmücken.

Um künftig besser auf Verstöße gegen das Satzungsrecht reagieren zu können, hat vor wenigen Monaten die Diakonie Mitteldeutschland ihren Sanktionskatalog verschärft. Die Unternehmen selbst haben im März in ihrer Mitgliederversammlung präzise Abstufungen beschlossen: von der Ermahnung bis zum Verbandsausschluss.

Derzeit läuft in der Diakonie Mitteldeutschland ein Ausschlussverfahren gegen eine Einrichtung. Der Grund: Das Sozialunternehmen ist nach Auffassung des Verbandsvorstandes nicht mehr der Kirche zuzuordnen, da nun ein kommunaler Träger 51 Prozent Anteile an der GmbH hält. "Dadurch hat die Kirche nicht mehr das Sagen", meint Wolfgang Teske, kaufmännischer Vorstand der Diakonie Mitteldeutschland.

Markus Jantzer

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