WM-Boykott wegen Russlands Bomben auf Syrien?: JOGI: „Das wünsche ich mir von der Politik“

Und das sagen die Sponsoren unserer Nationalelf

Weniger als 100 Tage sind es noch bis zur Weltmeisterschaft 2018 in Russland!

Die Fans, die Teams und die Offiziellen freuen sich auf spektakuläre Spiele und tollen Fußball – aber darf man das ohne schlechtes Gewissen? 

Immerhin ist Gastgeber Russland jenes Land, dessen Präsident Wladimir Putin (65) in Syrien Bomben auf Kinder werfen lässt, in der Ost-Ukraine einen verdeckten Krieg führt und im Sport weitreichendes Doping zu verantworten hat.

WM-Boykott wegen Russlands Bomben auf Syrien?

BILD fragte u.a. bei Joachim Löw (58) nach. Hat der Bundestrainer Bedenken, bei einer WM anzutreten, die natürlich auch zu einer Putin-Proganda-Show verkommen dürfte?

Löw: „An einer WM teilzunehmen, bedeutet ja nicht, dass wir uns mit einem System, Regime oder Machthaber gemein machen. Wir lassen uns nicht instrumentalisieren – egal, wo wir spielen, stehen wir immer für unsere Werte ein. Werte wie Vielfalt, Offenheit, Toleranz.“ 

Löw verschließt die Augen aber nicht vor der Realität, nimmt die Politik in die Pflicht: „Mir fällt es unendlich schwer, täglich diese schrecklichen Bilder aus Syrien sehen zu müssen, besonders wenn Kinder betroffen sind. Daher wünsche ich mir, dass die Politik über die Diplomatie eine friedliche Lösung findet.“

Was die sportliche Erwartungshaltung für die WM in Russland betrifft, sagt Löw: „Ich weiß aber auch, was sich Millionen Deutsche im Sommer von uns wünschen: dass wir uns mit unserer Mannschaft bei der WM wieder gut präsentieren, auf und neben dem Platz. Vor allem aber auch, dass wir wieder Weltmeister werden. Das ist auch unser Traum.“

BILD fragte auch bei unseren Nationalspielern und in der Politik nach. Außerdem bei Sponsoren unserer Nationalelf. Mit ganz unterschiedlichen Antworten:

★★★

Im Gegensatz zu Spielern antworteten DFB-Sponsoren wachsweich. Axel Dahm, Sprecher Bitburger Braugruppe: „Ich sehe den von Ihnen suggerierten Zusammenhang so nicht und freue mich stattdessen mit vielen anderen in Deutschland auf ein schönes Turnier mit hoffentlich gutem Fußball.“

★★★

Claudia Lange, Sprecherin von Adidas: „Die Fußball-Weltmeisterschaft ist das größte Sportereignis der Welt und bietet die Chance, Milliarden von Menschen ungeachtet ihrer Herkunft oder Gesinnung zusammenzubringen und für eine gemeinsame Leidenschaft, den Sport, zu begeistern.“

★★★

Die Lufthansa äußert sich wie folgt: „Lufthansa fliegt seit 1972 von ihren deutschen Heimatflughäfen nach Russland (aktuell nach Moskau-Domodedowo und St. Petersburg) und verbindet beide Länder seitdem ununterbrochen – ohne schlechtes Gewissen. Wir glauben, dass die Verbindung von Ländern, Menschen und Kulturen – unabhängig davon, wie einzelne politische oder auch militärische Entscheidungen des Landes zu bewerten sind – einen wichtigen Beitrag zur Völkerverständigung leistet.“

★★★

Sandro Wagner (30, Bayern): „Als Familienvater tun solche Bilder natürlich brutal weh und machen sprachlos. Aber in erster Linie sind wir von Berufs wegen Fußballer und spielen Fußball. Wir versuchen, Menschen durch unseren Sport Freude zu bereiten. Wir haben sehr, sehr viele Politiker in Berlin, die wir alle bezahlen von unseren Steuergeldern. Ich finde, dass diese handeln sollen und müssen, anstatt monatelang zu versuchen, eine Regierung zu bilden.“

★★★

Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff (49): „Wir waren in diesem Jahr mit der Mannschaft ja noch gar nicht zusammen, um sie auch auf das vorzubereiten, was sie über das Spielfeld hinaus in Russland erwartet. Eine Fußball-WM hat die Kraft, die Menschen zu verbinden, überall auf der Welt.“

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★★★

Julian Brandt (21, Leverkusen): „Das zu bewerten, ist schwer für einen Sportler. Das liegt in erster Linie im Aufgabenbereich der Politik. Selbst die ist offenbar nicht in der Lage, eine Problemlösung zu schaffen.“

★★★

Lars Stindl (29, Gladbach): „Ich weiß jetzt ja noch gar nicht, ob ich in Russland überhaupt dabei bin. Deshalb kann ich nur sagen, dass ich jeden Krieg verurteile und mir wünsche, dass auch der Krieg in Syrien endlich und so schnell wie möglich beendet wird.“

★★★

Matthias Ginter (24, Gladbach): „Krieg ist das Schlimmste, was es gibt. Wir Profis sind da aber ein bisschen im Zwiespalt. Einerseits ist eine WM das Allergrößte für einen Fußballer. Andererseits wollen wir aber alle auch Frieden und Gerechtigkeit in der Welt. Generell kann man bei einer WM natürlich viel bezwecken, weil der Fußball immer wieder zeigt, dass er alle Nationen und Religionen miteinander verbindet.“

★★★

DFB-Präsident Reinhard Grindel (56): „Das Leid der Männer, Frauen und Kinder muss ein Ende haben, aber der Fußball kann nicht Probleme lösen, die von der Uno und den großen Mächten dieser Welt nicht gelöst werden. Der DFB wird sich vor und während der WM in Russland für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen, wir werden darauf in allen unseren Gesprächen hinweisen. Bei der WM muss der Fußball im Mittelpunkt stehen, das Turnier muss zur Begegnung der Menschen aus aller Welt beitragen und nicht zur Propaganda der Mächtigen.“

★★★

Auch unter Politikern wird kein WM-Boykott gefordert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (62) teilt allgemein mit: „Es gibt derzeit keine konkreten Planungen für eine weitere Reise nach Russland.“

★★★

FDP-Vize und Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki (66): „Ich halte nichts von einem Boykott der Fußball-WM. Wenn die Briten nicht nach Russland fahren wollen, weil sie im Fußball-Turnier keine Chancen haben, dann bitte!“

★★★

Ein Sprecher der Kanzlerin: „Die Reiseplanung der Bundeskanzlerin wird kurzfristig bekannt gegeben. In der Regel am Freitag der Vorwoche.“

★★★

Der im Londoner Exil lebende Putin-Gegner Michail Chodorkowski (54): „Die Fußball-WM ist ein Fest für Millionen. Es wegen der Verbrechen des Kremls abzusagen, wäre falsch. Doch wenn westliche Politiker Putin besuchen und zu Gast bei Verbrechern sind – das wäre unwürdig.“

★★★

Sport-Experte Eberhard Gienger (66, CDU): „Ich lehne einen sportlichen Boykott der Fußball-WM in Russland ab. Das war schon bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau falsch. Diese Entscheidung hätte schon vor der Vergabe stattfinden müssen.“

★★★

Sportbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirchenpräsident Volker Jung: „Wer sich hier vor den Propaganda-Karren spannen lässt, ist zuallererst die FIFA. Vergabeverfahren müssen meines Erachtens viel besser die politischen Zusammenhänge, vor allem hinsichtlich der Wahrung der Menschenrechte, berücksichtigen. Außerdem sollte es Möglichkeiten geben, auf besondere Entwicklungen zu reagieren - durch Sanktionen bis hin zu einem Entzug der Veranstaltung. Im Blick auf Russland sehe ich zuallererst die Politik und dann auch die nationalen Fußballverbände in der Verantwortung, ihre Stimmen zu erheben. Die mit der Weltmeisterschaft verbundene gesteigerte Weltöffentlichkeit bietet dafür Gelegenheit. Ein Boykott ist so etwas wie eine ultima ratio, die gut überlegt sein will.“ 

Sieben Jahre dauert der Krieg in Syrien jetzt schon. Und er wird während der WM in Russland (14. Juni bis 15. Juli) keine Pause machen. 

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